Nach einer Operation ging eine saldo-Leserin aus dem Baselbiet zum Arzt. Als sie einige Wochen später die Rechnung kontrollierte, bemerkte sie, dass der Arzt für die Nachkontrolle der Wunde 20 statt 5 Minuten verrechnet hatte. Das ist nur eine Kleinigkeit. Aber die Leserin hatte Glück, dass sie die Rechnung überhaupt zu Gesicht bekam. Denn immer häufiger schicken Ärzte und Spitäler ihre Rechnungen direkt den Krankenkassen – ohne dass der Patient sie zuvor sehen und kontrollieren konnte.
In einer Umfrage im Jahr 2013 gab bereits jeder neunte Befragte an, nach einem Arztbesuch keine Rechnung erhalten zu haben. Die Krankenkassenverbände Curafutura und Santé-suisse schätzen, dass heute zwei Drittel der medizinischen Leistungen direkt abgerechnet werden.
Ärzte bevorzugen dieses System, weil die Kassen ihre Rechnungen so schneller begleichen. Und viele Krankenkassen finden es unnötig, den Patienten einzubeziehen, sobald er die Franchise aufgebraucht und den maximalen Selbstbehalt bezahlt hat. Dabei schreibt das Gesetz vor: Patienten müssen von Ärzten und Spitälern eine Rechnungskopie erhalten.
Ärzte und Spitäler müssen Rechnungskopien verschicken
Der Bundesrat will Ärzte und Spitäler stärker in die Pflicht nehmen. Wenn sie in Zukunft keine Rechnungskopien an Patienten übermitteln, drohen Bussen bis zu 10 000 Franken. Im Wiederholungsfall bezahlen die Krankenkassen allenfalls keine Rechnungen mehr. Jetzt muss das Parlament darüber entscheiden.
Michel Huissoud, Chef der Eidgenössischen Finanzkontrolle, kritisiert seit Jahren, dass Patienten nicht immer eine Rechnungskopie erhalten. Die Behauptung, das verursache Mehrarbeit, treffe nicht zu. Huissoud: «Kein Garagist verschickt beim Inkasso für den Service nur einen Einzahlungsschein. Er legt auch eine Aufstellung seines Aufwands bei.»
Das Sparpotenzial bei einer stärkeren Rechnungskontrolle wäre beträchtlich: Der Krankenkassenverband Santésuisse schätzt die Einsparungen für die obligatorische Krankenkasse auf rund 3 Milliarden Franken pro Jahr. Pro Rechnung wären das 30 Franken. Eine Studie in Deutschland ergab, dass sich durch eine Rechnungskontrolle 3,6 Prozent der Spitalausgaben einsparen liessen. In der Schweiz wäre das jährlich 1 Milliarde Franken. Zum Vergleich: Die letztjährigen Prämienerhöhungen belaufen sich in der Schweiz auf 1,3 Milliarden Franken.
Kontrolle der Krankenkassen reicht nicht aus
Bei den Krankenkassen gehen jährlich über 100 Millionen Rechnungen ein. Angesichts dieser Menge greifen Krankenkassen in einem ersten Schritt auf spezialisierte Computerprogramme zurück. Diese prüfen, ob die Person überhaupt versichert ist und ob der Arzt zulasten der Grundversicherung behandeln darf. Offensichtlich fehlerhafte Rechnungen werden vom Prüfsystem automatisch zurückgeschickt. Bei der Concordia zum Beispiel sind das jährlich 20 000 Rechnungen mit ausstehenden Forderungen über 14 Millionen Franken. Erst nach erfolgter Prüfung gibt der Computer die Rechnung zur Zahlung frei oder gibt an, dass zusätzliche Kontrollen nötig sind. Insgesamt weist die Concordia pro Jahr Rechnungen für medizinische Leistungen in der Höhe von 300 Millionen Franken zurück, bei der Visana waren es letztes Jahr rund 500 Millionen Franken. Das Kontrollsystem hat jedoch eine Schwäche. Es erkennt nicht, ob von Ärzten oder Spitälern in Rechnung gestellte Leistungen tatsächlich erbracht wurden. Dafür braucht es den Patienten, der seine Rechnungen prüft. Nur er weiss, wie oft er beim Arzt war, wie lange die Konsultation dauerte und welche Medikamente er erhielt.
So überprüfen Sie die Arztrechnungen
Verlangen Sie vom Spital oder Arzt eine Rechnungskopie.
Wer in der Rechnung einen Fehler vermutet, sollte zunächst den Arzt darauf ansprechen.
Bringt das nichts, wenden Sie sich an die Krankenkasse. Hat sie den umstrittenen Betrag bereits bezahlt, kann laut Gesetz nur sie den Betrag zurückfordern.
Viele Krankenkassen bieten Verständnishilfen. Die Concordia hat auf ihrer Website eine Anleitung aufgeschaltet, wie eine Rechnung zu lesen ist.
Bei Fragen und Problemen helfen auch die Patientenstellen. Eine Übersicht über die Stellen findet sich hier: www.patientenstelle.ch