Viele Bauern fütterten ihre Kälber während Jahrzehnten vorwiegend mit Milch und Milchprodukten. So blieb das Kalbfleisch hell. Diese einseitige Ernährung ist heute nicht mehr erlaubt: Kälber müssen so gefüttert werden, dass sie mit genügend Eisen versorgt sind. Damit sind sie weniger krankheitsanfällig und benötigen weniger Medikamente. Das schreibt die Tierschutzverordnung seit dem letztem September vor. Sie verpflichtet die Bauern, den Kälbern unbeschränkt Heu, Mais oder andere Rohfasern als Futter anzubieten. Solches Futter ist gesünder für die Tiere, färbt aber das Kalbfleisch dunkelrosa bis rötlich.
Die Metzger behaupten, solches Fleisch sei schlechter verkäuflich als helles Kalbfleisch. Der Schweizer Fleisch-Fachverband, die Dachorganisation der Metzger, empfiehlt deshalb seinen Mitgliedern, den Landwirten pro Kilo rotes Kalbfleisch zwei bis drei Franken weniger als für helles Fleisch zu bezahlen. Laut Präsident Ruedi Hadorn nehmen «die allermeisten Mitglieder» solche Abzüge vor. Zur Begründung führt er an: «Die Konsumenten und Gastro-Einkäufer tun sich immer noch schwer mit Kalbfleisch, das sich optisch und geschmacklich kaum vom preislich deutlich günstigeren Rindfleisch unterscheidet.»
Die Konsumenten haben keine Probleme mit rötlichem Fleisch
Peter Christen von Proviande, der Branchenorganisation der Schweizer Fleischwirtschaft, sieht das anders: «Nicht die Konsumenten haben Mühe mit rötlichem Kalbfleisch, sondern die Fleischhändler und einige Gastronomen.» Das bestätigt Samuel Graber, Präsident des Schweizer Kälbermästerverbandes: «Die Konsumenten haben längst begriffen, dass Kalbfleisch rötlicher geworden ist.»
Proviande und der Schweizer Tierschutz haben sich im letzten August auf einen «Branchenkonsens» geeinigt. Sie vereinbarten, dass Fleischverkäufer für Kälber bis zum Alter von 160 Tagen keinen Farbabzug machen – es sei denn, das Fleisch sei rindfleischartig rot.
Laut Proviande hält sich die Mehrheit der Mitglieder an diesen Kompromiss. Das heisst aber auch: Noch immer zahlen Betriebe für rötliches Kalbfleisch weniger, selbst wenn es sich gut von Rindfleisch unterscheiden lässt.
Für die Gesellschaft Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte führt diese Preispolitik zu einer Umgehung des Tierschutzes. Deshalb fordern die Tierärzte die Abschaffung des Abzugs für rötliches Kalbfleisch. Vorstandsmitglied Corinne Bähler: «Aus tierärztlicher Sicht dürfte es überhaupt keine Abzüge geben – weder für rötliches noch für rotes Fleisch. Bei Tieren lässt sich nicht programmieren, wie viel Eisen ihr Körper aufnimmt.»
Bei Coop gibt es ab bestimmter Farbgrenze einen Abzug
Die Grossverteiler Migros, Coop, Globus, Denner, Lidl und Aldi zahlen in der Schweiz nach eigenen Angaben für rötlich gefärbtes Kalbfleisch den gleichen Preis wie für helleres. Coop präzisiert: Erst ab einer bestimmten Farbgrenze gebe es einen Abzug. Der Grund gemäss Sprecherin Denise Stadler: «Der Abzug für rindfleischartiges Kalbfleisch dient der Orientierung der Konsumenten, damit das teurere Kalbfleisch auch korrekt vermarktet wird.»
Forum: Achten Sie beim Kauf von Kalbfleisch auf die Farbe?
Schreiben Sie an:
saldo,
Postfach 723,
8024 Zürich,
redaktion@saldo.ch. Oder diskutieren Sie im Internet unter www.saldo.ch.