Fachärzte für Diabetologie und Endokrinologie zählen zu den Topverdienern in der Medizin. Gleichzeitig lassen sie ihre Fachgesellschaft, die Schweizerische Gesellschaft für Endokrinologie und Diabetologie, zu einem grossen Teil von der Pharmaindustrie finanzieren.
Ihre Fortbildungen und Kongresse bezahlen die Ärzte ebenfalls zu einem guten Teil mit Geldern der Medikamenten- und Gerätehersteller. Das geht aus einer Preisliste für Werbemassnahmen hervor, welche die Ärztegesellschaft an Hersteller von Diabetesprodukten verschickt.
Für 500 Franken kann man das Firmenlogo auf dem Tagungsprogramm platzieren. Für 2000 Franken können Firmen zwei Mal im Jahr Werbung an die Mitglieder der Ärztegesellschaft verschicken. Für 4000 Franken kann eine Firma zwei eigene Referenten für die wöchentliche Internetfortbildung der Ärzte vorschlagen. Wer bei zwei Treffen im Jahr Vorschläge für Aktivitäten der Ärztegesellschaft machen will, muss 5000 Franken auf den Tisch legen. Das Aufstellen eines Firmenstands auf dem Jahreskongress der Ärzte kostet 12'500 Franken.
Ein Bündel von vielfältigen Werbemassnahmen bei allen Kongressen und Fortbildungen der Ärztegesellschaft kostet stolze 52'500 Franken pro Jahr, die abgespeckte Variante 10'000 Franken. Pharmafirmen bezahlten allein dieser Ärztegesellschaft 2023 mindestens 286'362 Franken, heisst es auf Pharmagelder.ch, einem Rechercheprojekt von Ringier Medien Schweiz. Bezahlt haben unter anderem die Pharmafirmen Novo Nordisk, Amgen, Astra-Zeneca, Boehringer Ingelheim, Abbott, Lilly und Sanofi – alles Hersteller von Diabetesprodukten.
Im Jahr 2022 zahlte die Industrie sogar 562'584 Franken an diese Gesellschaft, von 2015 bis 2023 waren es insgesamt 3,2 Millionen Franken. Mitgliederbeiträge brachten höchstens 150'000 Franken pro Jahr in die Kasse.
Medizinische Fortbildung zum Schnäppchenpreis
Von den Geldern profitieren 600 Mitglieder: Sie bekommen Fortbildungen zum Schnäppchenpreis. Die Teilnahme am «Post-End-Symposium» vom 23. August 2024 kostete 100 Franken, die Fortbildung «Fosped» 110 Franken. Junge Wissenschafter können sich die Teilnahme an einem Kongress in Europa mit 1500 und ausserhalb von Europa mit 2500 Franken bezahlen lassen. Auch für die Industrie lohnt sich die Nähe zu den Ärzten. Immer wieder beschäftigen sich Vorträge auf Veranstaltungen der Ärztegesellschaft mit neuen Diabetesprodukten.
So sprach etwa Professorin Lia Bally vom Berner Inselspital am 19. November auf einer Fortbildung zum Thema «Technologische Innovationen bei Diabetes und Insulintherapie – was gibt es Neues?». Der St. Galler Arzt Christopher Strey hielt 2022 an einer Fortbildungsveranstaltung den Vortrag «Technologien revolutionieren die Diabetes-Therapie». Beide Referenten verloren kein kritisches Wort über die neuen Mittel. Auf Anfrage gibt Strey zu, von Abbott bezahlt worden zu sein. Der Vorsitzende habe dies vorab bekannt gegeben.
Auffällig: Die Ärztegesellschaft äussert sich öffentlich kaum kritisch zur Qualität von Diabetesprodukten oder zu überrissenen Schweizer Preisen (saldo 18/2024). Kein Wunder: 12 von 15 Vorstandsmitgliedern der Fachgesellschaft lassen sich auch im Beruf von der Industrie unterstützen. Der damalige Vizepräsident Marc Donath kassierte von 2015 bis 2023 insgesamt 139'797 Franken von Firmen für Beratung und Vorträge. Er schreibt: «Der grösste Teil war für klinische Studien.»
«Spezialärzte verschreiben häufig das teurere Produkt»
Die Schweizerische Gesellschaft für Endokrinologie und Diabetologie ist kein Einzelfall. Auch andere Ärztegesellschaften kassieren Millionen von der Industrie (siehe Tabelle). So zum Beispiel die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Klinische Krebsforschung oder die Schweizerische Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie.
Laut Etzel Gysling, Arzt und Herausgeber des Magazins «Pharma-Kritik», erkauft sich die Industrie den Zugang zu Spezialärzten, um zu beeinflussen, was sie verschreiben. Die Rechnung geht auf: Ein Angestellter eines Pharmakonzerns besuchte jahrelang Ärzte in ihren Praxen. Er sagt: «Die Spezialärzte verschreiben häufig das im Vergleich teurere Produkt und begründeten dies mit dem Argument: Der Hersteller unterstützt uns ja auch.» Patienten und Prämienzahler bezahlen die Mehrkosten.
Die Schweizerische Gesellschaft für Endokrinologie und Diabetologie will sich auf Anfrage nicht konkret zu ihren Finanzen äussern: «Wir als Facharztgesellschaft sind nicht verpflichtet, Unterstützungsbeiträge der Industrie offenzulegen.» Die Ärztegesellschaft erklärt, «keinen Einfluss» auf die Preisgestaltung etwa von Diabetesprodukten zu haben. Preise seien Sache des Bundesamtes für Gesundheit.