Der Stadtteil Lasnamäe im Nordosten Tallinns wurde zwischen 1976 und 1991 als sowjetische Mustersiedlung gebaut. Es ist das bevölkerungsreichste Quartier der estnischen Hauptstadt: Auf 30 Quadratkilometern leben hier rund 108 000 Menschen – etwa 8 Prozent von Estlands Gesamtbevölkerung. 70 Prozent der Bewohner von Lasnamäe sprechen Russisch. Deshalb wird der Stadtteil in der Bevölkerung auch «Russenghetto» genannt.
Die alleinerziehende Sozialarbeiterin Julia Vishnjova (42) lebt und arbeitet hier mit ihren beiden Töchtern Teele Epp (9) und Luule Lisa (1). Ihre rund 50 Quadratmeter grosse Zweizimmerwohnung befindet sich in der zweiten Etage eines fünfstöckigen Plattenbaus. Teele Epp besucht die Schule, ihre jüngere Schwester geht in eine Kindertagesstätte.
Finanzielle Situation
- Haushaltseinkommen pro Monat: 2540 Franken brutto
- Kosten fürs Wohnen pro Monat: 290 Franken für die Hypothek, 295 Franken für die Nebenkosten
- Kosten für Krankenversicherung: Werden vom Arbeitgeber übernommen
- Einkommenssteuern pro Jahr: 6100 Franken
Sind Sie mit Ihrer Wohnsituation zufrieden?
Julia Vishnjova: Ich fühle mich sehr wohl in unserer Zweizimmerwohnung. Und mir gefällt die gute Infrastruktur unseres Wohnviertels: Es gibt hier grosszügige Grünanlagen – und Schulen, Kindergärten und Kliniken sind nahe.
Was gibt es heute zum Abendessen?
Es gibt Poulet und Soljanka-Suppe – das ist eine russische Eintopfspezialität.
Was machen Sie beruflich?
Ich arbeite seit vielen Jahren als Sozialarbeiterin, heute bin ich in einer leitenden Position. Mir hilft es beruflich sehr, dass ich neben Estnisch gut Russisch spreche.
Wie lange arbeiten Sie?
40 Stunden pro Woche.
Wie lange ist Ihr Arbeitsweg?
Ich brauche am Morgen zwischen 30 und 45 Minuten für den Hinweg. Abends dauert es wegen des Verkehrs meistens bis zu einer Stunde, bis ich daheim bin.
Welche Verkehrsmittel benützen Sie?
Ich bin oft mit dem Auto unterwegs, fahre aber auch mit dem Autobus ins Stadtzentrum.
Wo verbrachten Sie Ihre letzten Ferien?
Meine ältere Tochter hat Diabetes. Deshalb waren wir letztes Jahr in einem Ferienlager für diabeteskranke Kinder und deren Eltern in Nelijärve – rund 60 Kilometer von Talinn entfernt. Dort hat es auch einen schönen See.
Sparen Sie Geld?
Wenn es möglich ist, versuche ich etwas Geld zu sparen, um Reserven zu haben.
Welchen Luxus leisten Sie sich?
Ab und zu gehen wir ins Restaurant – hie und da auch zu Konzerten.
Wie hat der Krieg in der Ukraine Ihren Alltag verändert?
Einige russische Produkte fehlen in den Regalen. Ausserdem sind die Preise gestiegen, die Inflation beträgt knapp 20 Prozent.