Lange hatte sich die Erdgasbranche gegen eine Senkung gewehrt. Im Oktober schliesslich unterzeichneten die Gasimporteurin Swissgas und die überregionalen Verteiler eine Regelung mit dem Preisüberwacher.
Der Vertrag zwingt die Gasunternehmen zu Preissenkungen im Umfang von rund 15 Millionen Franken. Dies bestätigt Simon Pfister, Leiter des Fachbereichs Energie beim Preisüberwacher. Für Gaskunden heisst das: Die Durchleitungsgebühr sinkt per 1. Januar 2015 um durchschnittlich 9,4 Prozent.
Die 15 Millionen Franken sind laut Preisüberwacher jener Betrag, den die Konsumenten im nächsten Jahr weniger zahlen, wenn 2015 die gleiche Menge Gas transportiert würde wie 2014. Mit anderen Worten: Im laufenden Jahr mussten die 423 000 Schweizer Erdgas-Endkunden 15 Millionen Franken zu viel bezahlen.
Noch ist nicht sicher, ob die lokalen Gasversorger die Preissenkung im nächsten Jahr an die Kunden weitergeben. Der Preisüberwacher will dies kontrollieren. Bei Verdacht auf missbräuchlich hohe Gaspreise kann er eine Preissenkung verfügen.
Denn wer mit Erdgas kocht oder heizt, muss sein Gas beim lokalen Gasversorger kaufen. Dieser lokale Vertreiber besitzt ein Monopol. Deshalb ist der Preisüberwacher zuständig.
Schere zwischen Einkaufs- und Endpreis tut sich auf
Zu hohe Durchleitungspreise sind nicht das Einzige, was im Schweizer Gasmarkt auffällt. Die Gaspreise sind an den internationalen Börsen seit 2013 um rund 20 Prozent gefallen. Doch Durchschnittshaushalte profitierten bisher nicht davon: Bei einem Verbrauch von 20 000 Kilowattstunden zahlen sie im Durchschnitt heute 2 Prozent mehr. Dies zeigen die Gaspreise des Landesindexes der Konsumentenpreise des Bundesamts für Statistik sowie die Handelspreise an der Erdgasbörse NCG in Deutschland. Dort kaufen die Importmonopolistin Swissgas sowie Schweizer Grosskunden das Gas ein.
Swissgas will sich weder zum Preisunterschied äussern, noch legt die Gesellschaft ihre Einkaufspreise offen. Swissgas verkauft das Gas an vier Regionalgesellschaften, die auch ihre Aktionäre sind, zusammen mit dem Verband der Gasindustrie VSG. Für die Aktionäre sei diese Beteiligung nicht gewinnträchtig, sagt Swissgas. Diese müssten jeweils die Jahreskosten bezahlen. Doch die Einkaufsgesellschaft veröffentlicht weder eine Erfolgsrechnung noch eine Bilanz.
Die Regionalgesellschaften verkaufen das Gas an die lokalen Gaswerke weiter. Diese vier Unternehmen mit lokalem Verteilmonopol heissen Gasverbund Mittelland, Erdgas Ostschweiz, Erdgas Zentralschweiz und Gaznat in der Westschweiz. Alle vier sagen, dass sie die günstigeren Einkaufspreise zu 100 Prozent an die lokalen Gaswerke und somit an die Konsumenten weitergeben. Aus den Geschäftsberichten geht jedoch nicht hervor, wie viel Geld die Zwischenhändler für sich behalten. Einzig die Erdgas Zentralschweiz AG legt konkrete Zahlen offen: Die Gesellschaft zahlt jeweils eine Dividende von 1 Million an ihre Aktionäre.
Für diesen Herbst oder das nächste Jahr haben einige lokale Gaswerke Tarifsenkungen für die Haushalte angekündigt – etwa die Gasversorger in Zürich, Bern, Wohlen AG oder Interlaken BE. Die Werke der Stadt Wädenswil ZH senkten den Haushaltstarif bereits am 1. April.
Lokale Gaswerke verlangten immer wieder zu hohe Preise
Laut Simon Pfister vom Büro des Preisüberwachers geben die meisten lokalen Werke die Preisänderungen ihrer Lieferanten zwar weiter, allerdings zeitlich verzögert. Ob diese Senkungen vollständig bei den Haushalten ankommen, können nur Einzelfallstudien des Preisüberwachers zeigen. Klar ist: Die lokalen Gasmonopolisten verlangten immer wieder zu hohe Preise. So hat der Preisüberwacher im Oktober den Energiedienst Biel zu einer Gaspreissenkung von mindestens 5 Prozent gezwungen.
Grosskunden, die ihren Gasanbieter frei wählen können, profitieren schon länger von den gesunkenen Weltmarktpreisen – und zwar beträchtlich (siehe saldo 11/12). Die Lonzawerke in Visp VS etwa kaufen seit 2011 ihr Gas direkt an der Erdgasbörse in Deutschland ein. Anfänglich sparte Lonza damit 30 Prozent. Heute sei der Preisunterschied zwar kleiner, aber immer noch vorhanden, erklärt Lonza.
«Theoretisch sind solche Einsparungen auch für Haushalte möglich», sagt Jürgen Joseph. Er berät mit seiner Firma Energie Consulting ECG Unternehmen bei der Gasbeschaffung im Ausland.
«Haushalte könnten sich theoretisch an die Weko wenden»
Die Branche erlaubt aber nur Grossverbrauchern die freie Wahl des Lieferanten. Ein Gesetz, das den Haushalten die freie Wahl verbietet, gibt es nicht. Carole Söhner-Bührer von der Wettbewerbskommission (Weko) sagt dazu: «Theoretisch könnte sich ein Haushalt an die Wettbewerbskommission wenden, um sich gestützt auf das Kartellgesetz ein Recht auf freien Netzzugang zu erstreiten.»
Eine freie Wahl würde sich lohnen, sind doch die Preisunterschiede enorm: Ein Musterhaushalt, der jährlich 20 000 Kilowattstunden Erdgas zum Heizen braucht, zahlt im zürcherischen Wädenswil 1380 Franken, in der Stadt Bern aber 2272 Franken. Das sind 65 Prozent mehr. Wädenswil zählt laut dem Gaspreisvergleich des Preisüberwachers zu den fünf günstigten Gasversorgern der Schweiz, während Bern zu den sieben teuersten gehört.
Der Hauptgrund für die günstigen Preise in Wädenswil liegt beim günstigen Erdgasnetz. Unterhalt und Amortisation kosten viel weniger als in Bern. Günstig sind die Wädenswiler Haushaltstarife auch, weil ihr lokales Gaswerk der Gemeinde keinen Gewinn abliefern muss: «Die Werke Wädenswil sind schlank aufgestellt, nicht privatisiert und verpflichtet, ‹nur› kostendeckend zu wirtschaften», sagt Werkleiter Rolf Baumbach. Anders in Bern: Der Gasversorger Energie Wasser Bern musste letztes Jahr 43 Millionen Gewinn an die Stadt überweisen (saldo 19/14).