Der Kläger ist rund 40 Jahre alt. Er erscheint mit seiner Anwältin vor dem Einzelrichter am Bezirksgericht Hinwil ZH. Er klagt gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber auf 7010 Franken für 13 nichtbezogene Ferientage. Der beklagte Betrieb schickte zwei Kadermitarbeiter mit Anwalt an die Gerichtsverhandlung.
Zuerst begründet die Anwältin des Angestellten die Geldforderung. Ihr Klient habe seit Oktober 2013 in diesem Betrieb gearbeitet. Die Stelle sei ihm aber auf Ende Januar 2016 gekündigt worden. Wenige Tage vorher, am 26. Januar, sei er freigestellt worden. Die Kündigungsfrist habe sich dann wegen Krankheit des Angestellten bis Ende Februar verlängert.
Die Anwältin sagt, ihr Klient habe bis zum Ablauf des Arbeitsverhältnisses 13 Ferientage nicht mehr beziehen können. Diese Tage seien zu entschädigen. Sie verweist auf frühere Entscheide des Bundesgerichts: Danach sei der Bezug von Ferien unzumutbar, wenn die Frist zwischen Freistellung und Arbeitsende sehr kurz ist. Im vorliegenden Fall waren es 24 Arbeitstage.
Arbeitslosenversicherung verlangt Bewerbungen
Der Anwalt des Betriebs ist damit nicht einverstanden. Dem Kläger sei bereits im September 2015 gesagt worden, dass er Ende Oktober die Kündigung erhalten werde. «Wir teilten ihm mit, dass er noch für einige Projekte eingesetzt würde. Dann müsse er gehen.» Der Kläger hätte seine Ferien also bequem ab diesem Zeitpunkt beziehen können. «Das wurde ihm auch gesagt.»
Für die Anwältin des Klägers kam diese Aufforderung zu spät. «Gemäss den Vorgaben der Arbeitslosenversicherung musste sich mein Mandant ab dem Datum der Kündigung um Stellen bewerben. «Nach der Freistellung war es ihm deshalb zeitlich unmöglich, seine Ferientage zu beziehen.»
Der Richter unterbricht die Verhandlung für kurze Zeit. Dann erläutert er, wie er den Fall beurteilt. «Der Kläger wusste seit September, dass sich das Arbeitsverhältnis dem Ende zuneigt. Daher hätte er seine Ferien spätestens nach der Freistellung beziehen müssen.» Das sei trotz der kurzen Frist von 24 Tagen zumutbar gewesen. Unklar sei jedoch, ob das Obergericht als nächste Gerichtsinstanz diese Auffassung teile. Eventuell würde es die beklagte Firma dazu verurteilen, «einzelne Ferientage» abzugelten.
Um die Sache zu einem raschen Ende zu bringen, schlägt der Richter folgenden Vergleich vor: Das Unternehmen soll dem ehemaligen Mitarbeiter noch 1000 Franken bezahlen. Das entspreche knapp dem Lohn, den der Kläger für zwei Ferientage zugute hätte.
Nach einigem Hin und Her willigen beide Parteien in den Vergleich ein. Gerichtskosten fallen keine an, weil der Streitwert unter 30 000 Franken lag. Arbeitsgerichtliche Streitigkeiten bis zu diesem Betrag sind kostenlos.
Ferienansprüche: Nur selten bar auszuzahlen
Grundsätzlich gilt: Ferien dienen der Erholung des Angestellten. Deshalb müssen sie in Form von freien Tagen und Wochen bezogen und dürfen nicht mit Lohn abgegolten werden. Das gilt auch während der Kündigungsfrist. Doch keine Regel ohne Ausnahme: Die Kündigungsfrist dient dazu, eine neue Stelle zu suchen. Dies ist mit einer Ferienabwesenheit dann nicht vereinbar, wenn der Ferienanspruch im Vergleich zur Kündigungsfrist relativ hoch ist. In solchen Fällen erachten es die Gerichte oft als für den Angestellten unzumutbar, einen Teil oder die ganzen Ferien noch vor dem Austritt zu beziehen.