Elektrosmog-Messungen: Hohe Ausschläge beim Breitband
saldo liess an sechs Orten in Zürich und Luzern den Elektrosmog messen. Das Resultat: Die gesetzlichen Vorgaben wurden überall eingehalten. Doch Kritiker fordern niedrigere Grenzwerte.
Inhalt
saldo 15/2009
22.09.2009
Claude Settele
Die Belastung durch Elektrosmog hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Verantwortlich dafür sind der gestiegene Stromverbrauch und der Boom der Mobiltelefonie. In der Schweiz gibt es mittlerweile mehr Mobiltelefone als Bewohner. Laut dem Bundesamt für Umwelt (Bafu) betreiben Swisscom, Sunrise und Orange für die Mobilfunknetze GSM (900 MHz und 1800 MHz) und UMTS (2100 MHz) landesweit über 12’000 Funkantennen.
saldo wollte wissen, wie hoch die Strahlun...
Die Belastung durch Elektrosmog hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Verantwortlich dafür sind der gestiegene Stromverbrauch und der Boom der Mobiltelefonie. In der Schweiz gibt es mittlerweile mehr Mobiltelefone als Bewohner. Laut dem Bundesamt für Umwelt (Bafu) betreiben Swisscom, Sunrise und Orange für die Mobilfunknetze GSM (900 MHz und 1800 MHz) und UMTS (2100 MHz) landesweit über 12’000 Funkantennen.
saldo wollte wissen, wie hoch die Strahlung an einigen häufig frequentierten Plätzen in der Schweiz inzwischen ist. Die auf Messungen von Funknetzen spezialisierte Firma Enkom Inventis hat während dreier Tage in Luzern und Zürich Testmessungen an sechs Standorten mit mehreren Antennen im Umkreis durchgeführt. Gemessen wurde zu verschiedenen Tageszeiten während rund je einer Stunde. Es herrschte schönes Wetter. Neben dem üblichen Verkehr waren viele Fussgänger unterwegs. Dies hat Auswirkungen auf die Messung, denn die Strahlenbelastung steigt, je mehr Leute telefonieren oder via Handy auf Webseiten zugreifen und Mails versenden.
Relativ hohe Werte im Zentrum von Zürich
Bei den Messungen wurden die Strahlung für die beiden GSM-Netze (900 MHz und 1800 MHz) und für UMTS (2100 MHz) erfasst. Zudem hat Enkom eine Breitbandmessung durchgeführt. Diese berücksichtigt einen grösseren Frequenzbereich (0,1 bis 3000 MHz) und registriert weitere Quellen wie Radio, WLAN oder Betriebsfunk. Das Resultat der Messungen: Die Unterschiede der Strahlenbelastung auf den Plätzen sind zum Teil gross. Am höchsten waren die Werte am Central in Zürich. Bei der Breitbandmessung stieg dort der Spitzenwert kurzzeitig auf 2,59 Volt pro Meter (V/m).
Das ist ein fast dreimal höherer Wert als am Stadelhofer- und auf dem Helvetiaplatz. Auch beim Mittelwert ist die Belastung beim Central mit 1,43 V/m mehr als doppelt so hoch. Bei den reinen Mobilfunkimmissionen (ohne Funk, Radio, TV etc.) zeigt sich dasselbe Bild: Der Mittelwert ist mit 1,71 V/m am Zürcher Central mehr als dreimal höher als an den anderen fünf Messstandorten. Auch die Werte für das GSM-Mobilnetz schlagen nach oben aus. Dafür verantwortlich ist eine Antenne (GSM 1800 MHz), die am Eingang der Niederdorfstrasse montiert ist und konstant mit rund 1,5 V/m sendet.
Tiefere Grenzwerte gefordert
Zur Begrenzung der Strahlen von Antennenanlagen gibt es in der Schweiz verschiedene Grenzwerte (siehe unten). Wo Menschen sich längere Zeit aufhalten, gilt eine Limite von 4 bis 6 V/m. Selbst diese Vorgaben der Verordnung werden durch die saldo-Messungen eingehalten. Dies beruhigt allerdings die Kritiker nicht. So fordert die Interessengemeinschaft Elektrosmog-Betroffener (www.gigaherz.ch), dass die geltenden Grenzwerte gesenkt werden. Auch die Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz setzen sich für eine massive Reduktion um den Faktor 10 ein.
Liechtenstein will den Grenzwert massiv senken
Diesen Weg hat das Nachbarland Liechtenstein bereits eingeschlagen: Das Parlament hat im Mai 2008 beschlossen, dass der Grenzwert von 6 V/m ab 2013 auf maximal 0,6 V/m gesenkt wird. Dies entspricht einer rund zehnmal tieferen Limite im Vergleich zur Schweiz. Ob der verschärfte Grenzwert in Liechtenstein allerdings eingeführt wird, ist heute noch unklar. In Wirtschaftskreisen regt sich Widerstand. Die vier in Liechtenstein aktiven Mobilnetzbetreiber setzen das Parlament unter Druck. Sie behaupten, dass sie mit der verschärften Verordnung eine flächendeckende Versorgung nicht sichern können und die Investitionen für die Einhaltung der Grenzwerte zu hoch seien. Um bei geringeren Immissionen die gleiche Netzleistung zu erreichen, müssen in der Regel mehr Antennen mit geringerer Sendeleistung installiert werden.
Die Aufgabe scheint lösbar zu sein, wie die Stichproben von saldo zeigen: An den ausgewählten Standorten in Luzern und Zürich sind alle gemessenen Werte für die drei Mobilfunk-Frequenzen im Vergleich zum höheren Grenzwert zehnmal tiefer als die aktuellen Immissionsgrenzwerte. Für die strengeren Anlagengrenzwerte an Orten von empfindlicher Nutzung wie Wohnungen wäre eine Reduktion um den Faktor 10 hingegen kritisch. Am Central und am Helvetiaplatz in Zürich sowie am Schweizerhofquai in Luzern hätten die Spitzenwerte bei den Testmessungen diese tieferen Grenzwerte überschritten.
Strahlung: Umstrittene Grenzwerte
Im Februar 2000 hat der Bundesrat die Verordnung für nichtionisierende Strahlung (NISV) in Kraft gesetzt. Sie enthält verschiedene Grenzwerte für Installationen wie Stromleitungen oder Sendeanlagen für Mobilfunk. Wo sich Menschen aufhalten können, gilt maximal ein Grenzwert von 42 bis 61 V/m – eine Limite, die überall eingehalten werden kann. Für Wohnräume und ständige Arbeitsplätze gelten Grenzwerte von 4 bis 6 V/m.
Die Grenzwerte basieren grundsätzlich auf dem technisch Machbaren, nicht auf gesundheitlichen Überlegungen. Deshalb fordern Ärzte, Umweltmediziner wie auch Politiker an sensiblen Orten deutlich tiefere Werte. Die Wissenschaftsdirektion des europäischen Parlamentes schrieb schon im Jahr 2001, dass die elektromagnetische Strahlung «an Stellen mit Langzeitbelastung» 0,19 V/m nicht überschreiten sollte. Das ist zwanzigmal weniger als heute.
Elektrosmog: Von Kopfschmerzen über Schlafstörungen bis zu Leukämie
Elektrosmog stört die natürlichen Lebensabläufe, greift in die biologischen Prozesse ein und verändert sie: Das bedeutet Stress für Körper und Psyche, verursacht Krankheiten und verhindert die Heilung. Besonders ausgeprägt sind die Beschwerden bei Menschen, die elektrosensibel sind:
- Nervliche Symptome können auftreten oder Hautreaktionen, Stoffwechsel- und Hormonstörungen, wie die EU bereits Ende der Neunzigerjahre festgehalten hat.
- Laut der deutschen Umweltorganisation Bund kommt es auch zu Gelenk- und Muskelschmerzen, Kopf- und Gelenkschmerzen, Müdigkeit, Leistungsabfall sowie Schlafstörungen.
- Umweltmediziner weisen darauf hin, dass Elektrosensibilität oftmals erst mit Belastungen durch Schwermetalle wie Amalgam im Gebiss spürbar wird.
- Bei einer saldo-Umfrage vor vier Jahren beklagten sich Befragte immer wieder über Symptome wie Schlafstörungen oder stechende Schmerzen beim mobilen Telefonieren.
Der Mensch kommt oft in Kontakt mit elektronischen Feldern. Im Einzelfall können die Auswirkungen langfristig fatal sein, wie eine Studie französischer und kanadischer Stromproduzenten zeigte: Sie nahmen ihre Angestellten unter die Lupe und stellten einen Zusammenhang zwischen Arbeitsplatz und Leukämie, Haut- und Lymphdrüsenkrebs fest.