Seit Dezember lassen sich die ersten Leute gegen Corona impfen. In Impfzentren fragt man sie, ob sie die Impfung in einen elektronischen Ausweis eintragen wollen. Der sogenannte elektronische Impfausweis ist nichts anderes als der Eintrag in ein Impfregister.
Bisher wurden die Impfungen jeweils in ein Büchlein eingetragen, das vom Bundesamt für Gesundheit (Schweizer Impfausweis) oder der Weltgesundheitsorganisation herausgegeben wurde (internationaler Impfausweis). Das Büchlein wird zu Hause aufbewahrt und dient dazu, bei Reisen ins Ausland die benötigten Impfungen zu belegen oder den Impfschutz von Zeit zu Zeit zu überprüfen und zu aktualisieren. Auch die Covid-19-Impfung wird auf Wunsch ins Impfbüchlein eingetragen.
Ein Stiftungsrat voller Interessenvertreter
Ein Eintrag ins elektronische Register ist seit 2013 möglich. Durch die Coronaimpfungen erhält es jetzt Aufwind. Das Register wird durch die private Stiftung «Meine Impfungen» mit Sitz in Muri BE geführt. Im Stiftungsrat sitzen Vertreter des Impfzentrums des Unispitals Genf, des Apothekerverbands Pharmasuisse, des Ärzteverbands FMH und der Ärztekasse. Sponsoren der Stiftung sind die Pharmaunternehmen Glaxo Smith Kline, Sanofi-Aventis, Pfizer und Merck Sharp & Dohme Switzerland. Die Stiftung wurde vom Bund beauftragt, den freiwilligen elektronischen Covid-Impfnachweis anzubieten.
Wer sich ins Register eintragen will, muss sich auf Meineimpfungen.ch oder auf der Handy-App «Myviavac» mit einer E-Mail-Adresse registrieren. Dann wird man aufgefordert, aufzulisten, welche Krankheiten man schon durchgemacht hat, ob Risikofaktoren bekannt sind oder welche Impfungen man nicht wünscht. Frühere Impfungen kann man selbst ins elektronische Dossier übertragen und von einem Arzt oder Apotheker bestätigen lassen. Die Impfdaten sind dann elektronisch zugänglich.
Anders beim Impfbüchlein: Es liegt zu Hause. Der Besitzer entscheidet selbst, wem er Einblick in die Daten geben will. Bei der elektronischen Version befinden sich die Daten bei der Stiftung. Die Eingetragenen wissen deshalb nie, wer Einblick in ihre höchstpersönlichen Gesundheitsdaten hat.
Die beteiligten Pharmafirmen lassen sich die Partnerschaft etwas kosten, wie saldo-Recherchen ergaben: Glaxo Smith Kline allein zahlte seit 2016 rund 650 000 Franken an die Stiftung. Pfizer überwies laut eigenen Angaben von 2016 bis 2019 rund 160 000 Franken, Sanofi bis 2020 rund 120 000 Franken, Merck Sharp & Dohme 46 000 Franken. Laut Stiftungsrat Hannes Bösch kommt die Pharmaindustrie für 20 Prozent des Gesamtbudgets auf. Wie hoch das ist, legt Bösch nicht offen.
Weshalb zahlen Pharmafirmen an das Impfregister? Erhalten Sie eine Gegenleistung in Form von Daten? Glaxo Smith Kline sagt, man unterstütze das Ziel, die Bevölkerung vor Infektionskrankheiten zu schützen. Eine Gegenleistung erhalte man nicht. Stifungsrat Bösch beteuert: «Die Firmen können keinen Einfluss nehmen und keine Daten einsehen.» Ob das auch für die Zukunft gilt, ist offen. Beide Seiten wollen die Verträge nicht offenlegen.
Einen kommerziellen Nutzen haben die Pharmaunternehmen wohl schon jetzt: Wer auf der Plattform registriert ist, kann sich per E-Mail oder SMS auf fällige Impfungen hinweisen lassen. Dadurch dürfte die Zahl der verkauften Impfdosen zunehmen.
Geld erhält die Stiftung auch aus der Bundeskasse. Sie zahlt jährlich 250 000 Franken. Im vergangenen Jahr kamen 450 000 Franken für den elektronischen Corona-Impfnachweis dazu. Weshalb bietet das Bundesamt für Gesundheit nicht selbst einen elektronischen Impfausweis an und überlässt diese heiklen persönlichen Daten Privaten? Laut Sprecherin Simone Buchman fehle es an einer gesetzlichen Grundlage für einen staatlichen Impfausweis. Deshalb rate man den Kantonen, die Plattform Meineimpfungen.ch zu empfehlen.
IT-Experte: «Ich würde meine Daten hier nicht speichern»
Punkto Datenschutz ist die Internetplattform kein Vorbild. Volker Birk vom Chaos Computer Club Schweiz kritisiert, dass jede Person Zugriff auf die Daten erhält, die das Passwort eines Registrierten kennt. «Das allein schon disqualifiziert das Projekt.»
Zudem sind sowohl die aktuelle Internetseite wie die App sicherheitstechnisch veraltet. Zu diesem Fazit kommt der IT-Unternehmer und grünliberale Schwyzer Kantonsrat Lorenz Ilg: «Es bestehen verschiedene Sicherheitslücken. Ich würde meine Daten hier sicher nicht speichern.» Stiftungsrat Hannes Bösch sagt dazu, die Internetseite und die App würden demnächst komplett überarbeitet. Dann werde ein sicheres Login mit Zwei-Faktor-Authentifizierung eingeführt.
Das ändert nichts daran, dass die Daten der Geimpften bei einer privaten Stiftung gespeichert sind. Für Softwareentwickler Birk ist klar: Die Daten dürften nur beim Patienten gespeichert sein. Sonst lasse sich nicht ausschliessen, dass Fluggesellschaften oder andere interessierte Unternehmen und Behörden auf persönliche Daten zugreifen können.
Der Eintrag einer Impfung in das elektronische Register bedeutet übrigens nicht, dass man problemlos reisen kann. Gemäss der Stiftung gilt der Eintrag zurzeit nur in der Schweiz. Im Ausland wird nur das gelbe Impfbüchlein der WHO anerkannt.