Fahrer eines Benzin- oder Dieselautos steuern die nächste Tankstelle an, wählen Zapfsäule und Treibstoffart und bezahlen den angeschriebenen Preis. Abgerechnet wird pro Liter. Die Preisunterschiede zwischen den Tankstellen sind gering.
Anders bei Elektroautos. An den meisten der fast 4000 Ladestationen in der Schweiz fehlen die Preisangaben – und die Abrechnung ist kompliziert. So wissen die Besitzer von E-Autos nicht, wie viel sie beim Laden für den Strom bezahlen. Das erfahren sie erst, wenn sie ihre Rechnung bekommen. Oder sie suchen die Tarife mühsam auf der Internetseite oder App des Ladestation-Betreibers.
Besitzer von Elektroautos schliessen in der Regel ein Abo mit einem Verbund von Betreibern von Ladestationen ab. Diese verfügen über ein eigenes Netz von Stromtankstellen. Zu den grössten zählen Evpass, Swisscharge.ch, Move und Plug ’n’ Roll. Daran beteiligt sind Stromproduzenten wie Alpiq, BKW oder Repower.
Laden an «fremder» Tankstelle kann teuer werden
Tankt der Fahrer eines Elektroautos bei einer Ladestation, die zu seinem Aboverbund gehört, kostet eine Vollladung je nach Betreiber zwischen 2 und 4 Franken, wenn das Auto bei einer Schnellladestation geladen wird. Das dauert in der Regel 20 bis 30 Minuten. Geht der Ladevorgang mehrere Stunden, sind die Preise deutlich tiefer.
Teuer wird es, wenn der Fahrer an einer Ladestation tankt, für die sein Abo nicht gilt. Das zeigt das Beispiel von Erik Streller-Shen aus Henau SG. Er lud bei der Landi in Winterthur Strom für seinen Renault Zoe. Die Landi-Stromtankstelle gehört zum Netz von Evpass. Dort kann man sein Auto bis zu vier Stunden lang für pauschal 20 Rappen mit Strom laden. Streller-Shen zahlte jedoch Fr. 11.31. Grund: Er hatte seine Evpass-Kundenkarte vergessen und benutzte stattdessen die Swisscharge-Karte, wo er ebenfalls Kunde ist. Die Folge: Der Preis für eine bezogene Kilowattstunde Strom erhöhte sich um das 65-Fache – von 1 auf 65 Rappen. Streller-Shen bemerkte den Preisaufschlag erst, als er die Abrechnung von Swisscharge.ch erhielt.
Preisüberwacher kritisiert den «Tarifwildwuchs»
Dazu kommt: Die Preispolitik der Betreiber ist sehr unterschiedlich – entweder pauschal, nach Zeit, bezogener Strommenge oder einer Kombination davon. Auch Preisüberwacher Stefan Meierhans stellt fest: «Es ist nicht einfach, den Durchblick in diesem Tarifwildwuchs zu behalten.» Er beobachtet die undurchsichtigen Preise mit Sorge. Krispin Romang vom Elektromobilitätsverband Swiss eMobility räumt ein, dass die Preise zu wenig transparent seien. Den Grund dafür sieht er im dezentralen Netz, das aus vielen kleinen Betreibern besteht.
Damit die Konsumenten Waren vergleichen können, müssen Preisangaben vollständig und transparent sein. Das verlangt die Preisbekanntgabeverordnung. Die Preise müssen für die Kunden ersichtlich sein, ohne dass diese danach fragen müssen. Wer vorsätzlich gegen diesen Grundsatz verstösst, kann mit einer Busse bis zu 20 000 Franken bestraft werden. Trotzdem sehen sich die Besitzer von Ladestationen nicht in der Pflicht. Laut Netzbetreiber Move wäre es gar nicht machbar, Hunderte von Preisen an den Säulen anzuschreiben. Und bei Plug ’n’ Roll heisst es: «Beim Aufladen von Elektroautos handelt es sich um eine komplexe Dienstleistungserbringung.»
Dienstleistungen sind grundsätzlich von der Preisbekanntgabeverordnung ausgenommen. Doch eine Stromlieferung ist keine Dienstleistung, sondern ein Verkauf von Energie. Für den Zürcher Rechtsprofessor Leander D. Loacker ist denn auch klar, dass für den Stromverkauf bei Elektrotankstellen eine Pflicht zur Preistransparenz besteht. Gleiches gelte nach Preisbekanntgabeverordnung auch für komplexere Serviceleistungen, etwa im Garagengewerbe.
Im April erklärte das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) in der Radiosendung «Espresso», die Betreiber der Ladestationen verstiessen gegen die Verordnung. Seither hat sich wenig getan. Auf Nachfrage erklärte das Seco, eine übersichtliche Preisanschrift sei nur schwer umsetzbar. Dabei ist eigentlich alles klar. Das Seco hat die Oberaufsicht beim Vollzug. Es berät die Kantone und kann Verstösse bei den zuständigen Stellen melden. Die Kantone ihrerseits müssen die Preisanschrift kontrollieren und Verstösse zur Anzeige bringen.
Der Bund müsste eigentlich ein Interesse daran haben, bei den Preisen für Transparenz zu sorgen und das Netz an Ladestationen auszubauen. Um den CO2-Ausstoss zu senken, will er den Anteil der Elektroautos an Neuwagen bis 2022 auf 15 Prozent erhöhen. Heute werden erst 3 von 100 Fahrzeugen elektrisch betrieben.