Einlegerschutz: Grosses Versprechen, wenig Sicherheit
Ende 2008 hat das Parlament den Einlegerschutz von Spargeldern auf 100‘000 Franken erhöht. Der Bundesrat will diese Notlösung trotz Mängeln definitiv verankern.
Inhalt
saldo 07/2010
11.04.2010
Letzte Aktualisierung:
12.04.2010
Thomas Lattmann
Unter dem Eindruck der weltweiten Finanzkrise und dem Beinahe-Kollaps der UBS beschliesst das Parlament am 20. Dezember 2008 eilends, den Schutz der Bankkunden zu verbessern. Statt nur 30‘000 sollten im Konkursfall einer Bank pro Kunde Einlagen bis 100‘000 Franken abgesichert sein. Mehrere neue Vorschriften sollten garantieren, dass die Sparer im Fall einer Bankenpleite wirklich zu ihrem Geld kommen. Doch das neue Sicherheitsnetz hat viele Löcher.
saldo hat das ne...
Unter dem Eindruck der weltweiten Finanzkrise und dem Beinahe-Kollaps der UBS beschliesst das Parlament am 20. Dezember 2008 eilends, den Schutz der Bankkunden zu verbessern. Statt nur 30‘000 sollten im Konkursfall einer Bank pro Kunde Einlagen bis 100‘000 Franken abgesichert sein. Mehrere neue Vorschriften sollten garantieren, dass die Sparer im Fall einer Bankenpleite wirklich zu ihrem Geld kommen. Doch das neue Sicherheitsnetz hat viele Löcher.
saldo hat das neue System damals analysiert und auf die Mängel hingewiesen (saldo 3/09):
- Das Gesetz beschränkt den Betrag, der durch das Einlagensicherungssystem maximal abgesichert ist, auf 6 Milliarden Franken. Das ist sehr wenig. Müssten nämlich die Banken alle abgesicherten Spargelder aufs Mal auszahlen, wären laut Finanzdepartement 340 Milliarden Franken nötig.
- Erst nach dem Konkurs einer Bank müssen die abgesicherten Einlagen von den anderen Banken eingeschossen werden. Für das Eintreiben des Geldes ist der Verein «Einlagensicherung der Schweizer Banken und Effektenhändler» zuständig.
- Beim Ausfall mehrerer Banken oder einer grossen kann sich der anteilsmässige Betrag der restlichen Banken massiv erhöhen. Diese müssen die Anteile der konkursiten Banken übernehmen. Damit besteht die Gefahr, dass der Bankrott einer Bank zur Pleite weiterer führt.
Kollaps einer Grossbank: 6 Milliarden reichen nie
Fazit: Den Zusammenbruch einer kleinen bis mittleren Bank kann das jetzige Sicherungssystem verkraften. Aber beim Konkurs einer einzigen grösseren Bank reichen die 6 Milliarden bei weitem nicht aus. Allein bei der Migrosbank belaufen sich die gesicherten Einlagen auf 17 Milliarden Franken. Bei UBS und CS dürfte es ein Mehrfaches sein. Zahlen wollen die beiden Banken nicht bekanntgeben.
Auch dem Bundesrat war klar, dass diese dringlich eingeführte und bis Ende Jahr befristete Gesetzesänderung voller Mängel ist. Er schickte deshalb im letzten September eine Vorlage in die Vernehmlassung, die ein zweistufiges Sicherungssystem vorsah: einen öffentlich-rechtlichen Fonds von 9,75 Milliarden Franken sowie eine Garantie oder einen Vorschuss durch den Bund. Vorgesehen war, dass die Banken den Fonds durch Jahresbeiträge äufnen. Die Absicherung durch den Bund hätten sich die Banken mit Prämien erkaufen müssen.
Die Vorlage ist in der Vernehmlassung durchgefallen. Die meisten Kantone, die Mehrheit der Wirtschaftsverbände sowie die politischen Parteien – mit Ausnahme der SP – lehnten die Vorlage klar ab. Aufgrund dieser Reaktionen hat der Bundesrat eine Kehrtwende vollzogen: Im März verkündete er, dass er auf «eine fundamentale Änderung der Einlagensicherung» verzichtet. Er will sich darauf beschränken, die provisorischen Gesetzesänderungen ins Dauerrecht überzuführen.
Beat Bernet, Professor für Bankwirtschaft an der Uni St. Gallen, bezeichnet diese Lösung als «eines der schwächsten und unsichersten Einlagenschutzsysteme der Industrieländer». Die Vorlage des Bundesrates wäre aus Konsumentensicht fairer und sicherer gewesen. Experten in aller Welt seien sich einig, dass nur versicherungsbasierte Einlagenschutzlösungen, die auf einem Deckungsfonds und risikogerechten Prämien basieren, den Anforderungen an einen modernen Einlagenschutz gerecht werden. «Unser heutiger Einlagenschutz ist wie eine Versicherung, für die niemand Prämien bezahlt.»
«Regelung hält nicht, was sie verspricht»
Dina Beti vom Finanzdepartement verteidigt die Haltung des Bundesrates. «Die Dringlichkeitslösung ist nicht so gut, wie wir wollten, aber sie ist gut.» Auch die Banken können damit gut leben. «Der jetzige Einlegerschutz hat sich bewährt. Wir sehen keine Notwendigkeit für einen Systemwechsel oder einen zusätzlichen Ausbau», sagt Thomas Sutter von der Bankiervereinigung.
Simonetta Sommaruga von der Stiftung für Konsumentenschutz wehrt sich dagegen, das Provisorium zur Dauerlösung zu machen. «Die Regelung hält nicht das, was sie verspricht. Es handelt sich um eine Art Scheinlösung.» Wenn der Bundesrat nicht bereit sei, neue Ansätze zu prüfen, müsse dies das Parlament tun.