Der grosse Gerichtssaal des Bezirksgerichts Andelfingen ZH ist an diesem Nachmittag fast voll besetzt. Die meisten Anwesenden sind nicht Zuschauer, sondern Kläger und Beklagte. Denn vor Gericht stehen 14 Eigentümer von 7 Häusern. Sie teilen sich als Miteigentümer eine Tiefgarage mit 16 Parkplätzen.
Die Eigentümer eines Hauses fordern, dass zwei Beschlüsse der Gemeinschaft zur Verteilung der Kosten aufzuheben seien. Der Anwalt des Paars schildert dem Gericht die Situation aus Sicht seiner Mandanten: «Das Verhältnis in der Nachbarschaft war bisher sehr gut.» Nun habe leider eine Blockbildung gegen die Kläger stattgefunden. «Meine Mandanten fordern nur gleiches Recht für alle.»
Der Anteil an den Betriebskosten werde nur nach der Anzahl der Parkplätze abgerechnet. «Die übrigen Flächen werden dabei ausser Acht gelassen», sagt der Anwalt. Die Parteien hätten einen Dienstbarkeitsvertrag abgeschlossen. Laut diesem stehen die separaten Verbindungswege nur den berechtigten Miteigentümern zur Verfügung. Die Eigentümer mit separatem Eingang hätten sich im Gegenzug verpflichtet, für dessen «Unterhalt und Erneuerung» aufzukommen. Daher müssten sie auch die Stromkosten für die Lampen entlang des Wegs übernehmen, findet das Paar.
«Wir leben seit 23 Jahren mit diesem Verteilschlüssel»
Die Eigentümer der anderen Häuser haben einen Miteigentümer zu ihrem Sprecher erkoren. Er rechnet vor: «In den Verbindungsgängen zu den Häusern gibt es total neun Lampen und keine Steckdosen.» Deren Betrieb würde auch bei den gestiegenen Strompreisen nur 140 Franken pro Jahr kosten. In diesem Streit gehe es also um wenig Geld.
Zudem seien im Dienstbarkeitsvertrag nur die Baukosten geregelt. Für die Betriebskosten wie etwa für den Strom gelte die Nutzungs- und Verwaltungsordnung der Gemeinschaft. Gemäss dieser werde nach Anzahl der Parkplätze abgerechnet. Man habe die Stromkosten für die Wege nicht auf einzelne Eigentümer abwälzen wollen, argumentiert der Sprecher weiter, sonst hätte man separate Stromzähler montieren müssen. Die Eigentümer könnten das Licht in den Gängen auch nicht separat ein- und ausschalten. «Wir leben seit 23 Jahren mit diesem Verteilschlüssel.»
Der Richter fragt nach: «Waren die Kläger von Anfang an dabei?» «Ja», antwortet der Sprecher der Beklagten. Die Frage, ob es bereits früher Reklamationen gab, verneinen auch andere Beklagte im Gerichtssaal.
Nach zehn Minuten Pause äussert sich der Richter über seine Beurteilung des Falls: Laut Dienstbarkeitsvertrag müssten die Eigentümer der separaten Gänge nur die Kosten für «Unterhalt und Erneuerung» tragen. Einiges spreche dafür, dass die Stromkosten nicht unter den Begriff «Unterhalt» zu zählen seien. «Zudem wurde das jahrelang gelebt und nicht vor Gericht angefochten.» Die lange Akzeptanz spreche für eine Einigung auf die bisherige Verteilung. Die Kläger hätten somit einen schwierigen Stand.
Er rät dem Paar, seine Klage zurückzuziehen und die Verfahrenskosten von 600 Franken zu übernehmen. Und die Beklagten sollen auf eine Entschädigung verzichten.
Applaus für erfolgreiche Beilegung des Konflikts
Nach einem Verhandlungsunterbruch und der Besprechung mit ihrem Anwalt willigen die Kläger schliesslich ein. Zunächst sind die Beklagten aber nicht bereit, auf eine Parteientschädigung zu verzichten. Der Richter redet ihnen ins Gewissen: Es gehe ja nur um ein paar Franken. Nach einer Abstimmung unter den Beklagten verzichten diese auf eine Parteientschädigung. Sie applaudieren im Gerichtssaal spontan und loben ihren Sprecher.
Die unterlegenen Kläger räumen ein: «Wir hätten dem Frieden zuliebe nicht so lange mit einer Klage warten dürfen.» Der Richter schliesst die Verhandlung und appelliert an die Parteien: «Ich hoffe, dass wir uns in dieser Besetzung nicht mehr sehen.»
Miteigentum: Das Wichtigste steht im Reglement
Bei Mehrfamilienhäusern im Stockwerkeigentum und Siedlungen mit mehreren Häusern stehen die Parkplätze meist im Miteigentum aller Wohnungsbesitzer. Das Gesetz regelt die Rechte und Pflichten von Miteigentümern nur sehr rudimentär. Deshalb verfassen die Gemeinschaftseigentümer jeweils ein mehr oder weniger ausführliches Reglement, das die Benutzung und die Kostenverteilung regelt. Aus dem Reglement geht auch hervor, wer zu welchen Teilen für die laufenden Betriebs- und Unterhaltskosten aufkommen muss. Wer sich an einem solchen Miteigentum beteiligt, sollte diese Regelung vor dem Erwerb genau anschauen und die Kosten für seinen Teil kalkulieren. Das ist aufgrund der Zahlen der letzten drei Jahre in der Regel leicht möglich.