Die Epidemie betrifft alle Provinzen des Landes. Es gibt über 310 000 Infizierte. 6000 Menschen sind bis jetzt gestorben, drei Viertel davon sind Kinder. Stand: 24. Februar. Das schreibt die Reisemedizin-Website Safetravel.ch. Zu den Sponsoren gehört auch das Eidgenössische Departement des Innern. Die Rede ist vom «weltweit schlimmsten Masernausbruch» in der Demokratischen Republik Kongo. Die Masern wüten auch im weiter nördlich gelegenen Tschad. Allein im vergangenen Jahr starben 259 Menschen an dieser Krankheit.
Doch diese Toten interessieren die Medien nicht. Stattdessen rapportieren sie fast jeden einzelnen Verdachts- und Todesfall in Europa, der möglicherweise auf eine Infektion mit dem neuartigen Coronavirus namens Sars-CoV-2 zurückzuführen ist. Weltweit sind gemäss der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore (USA) bisher 2858 Menschen am Coronavirus gestorben (Stand: 28. Februar), davon 2702 in China, 26 im Iran und 17 in Italien. Mit dem Virus infiziert haben sich angeblich 83 391 Menschen, davon 78 824 in China. In der Schweiz wurden gemäss Bundesamt für Gesundheit «mehr als 500 Verdachtsfälle» abgeklärt (Stand: 28. Februar). Zum Vergleich: Die Grippe rafft laut der Weltgesundheitsorganisation jedes Jahr bis zu 650 000 Menschen dahin. In der Schweiz sind es laut Bundesamt jährlich «mehrere Hundert».
«Wir alle werden die Folgen spüren»
Die Medienberichte über das Coronavirus verdrängten vergangene Woche jedes andere Thema. Seit Januar erschienen in der Schweizer Presse über 11 000 Artikel. Statt Zahlen und Fakten enthielten sie häufig emotionalisierende Aussagen und angsteinflössende Prognosen. «Auf die eine oder andere Weise werden wir alle die Folgen spüren», raunte «10-vor-10»-Moderator Arthur Honegger am 26. Februar mit ernster Miene in die Kamera. Und in einem Beitrag warnt ein Mitarbeiter der Konjunkturforschungsstelle der ETH vor «Grenzschliessungen» und wirtschaftlichen Schäden in der Schweiz. Am 24. Februar titelte der «Blick»: «Corona erreicht Schweizer Grenze» und «Politiker fordern Fieber-Tests am Zoll». Am Tag darauf ist ein «Corona-Toter» aus Como das Titelthema und UBS-Präsident Axel Weber «rechnet vor»: «Corona-Krise kostet 675 Milliarden – pro Quartal!» Im Text wird klar: Der Banker schätzt, dass das «globale Wachstum von 3,5 auf 0,5 Prozent sinkt».
Zwei Tage später melden die Medien den ersten Corona-Patienten in der Schweiz. «Blick» fragt besorgt: «Hat der Tessiner (70) auch seine Familie angesteckt?» In derselben Ausgabe rät das Blatt, den Notvorrat zu überprüfen. «Pro Person» und «auf 14 Tage gerechnet» brauche man unter anderem «5,3 kg Gemüse, Früchte und Pilze (Konserven) und 700 g Käse». Am nächsten Tag zeigt der «Blick» das Bild eines leeren Regals in der Migros-Filiale in Meilen ZH und zitiert einen Verkäufer für Hygieneartikel: «Seit Montag verkaufe ich wie verrückt Desinfektionsmittel.» Kein Wunder bei dieser Berichterstattung.
Immerhin, es gibt auch entdramatisierende Stimmen. Die NZZ weist am 26. Februar darauf hin, dass «das neue Virus weniger krankmachend sei als die Sars- und Mersviren». Beides Krankheiten, die auch durch Coronaviren ausgelöst worden waren. In den Jahren 2003 und 2004 erkrankten weltweit rund 8000 Leute an Sars. 800 starben daran. Ähnlich viele Tote forderte seit 2012 das Mersvirus. Nach der Infektion mit Sars- oder Mersviren starben laut NZZ «knapp 10 respektive gut 34 Prozent der Erkrankten». Gemäss einer neuen Erhebung aus China liegt beim neuen Virus die Todesfallrate bei 2,3 Prozent.
Die «Aargauer Zeitung» veröffentlicht am 27. Februar eine Liste mit «wichtigen Richtigstellungen». Beispiel: Post aus China darf angefasst werden. Die Viren überleben auf der Oberfläche von Gegenständen nicht lange. Und längst nicht alle Personen, die sich angesteckt haben, werden schwer krank. Vor allem Jüngere und Kinder zeigten «teilweise nur sehr schwache Symptome». Der «Blick» schliesslich zitiert einen Infektionsexperten der Uni Zürich: «Wenn es wärmer wird, ist die Grippesaison normalerweise vorbei. Es besteht die Hoffnung, dass es sich mit dem Coronavirus gleich verhält.»