Ein verlustreicher Papiertiger
Die Idee tönt genial: Aus Papierwaben energiesparende und erdbebensichere Häuser für die Dritte Welt herstellen. Hunderte gutgläubige Anleger fielen auf das unausgereifte Projekt des deutschen Unternehmers Gerd Niemöller herein.
Inhalt
K-Geld 06/2011
09.12.2011
Letzte Aktualisierung:
13.12.2011
Felix Weber
Gerd Niemöller hat eine einnehmende Art, und er weiss sie einzusetzen: Der deutsche Diplom-Ingenieur verkauft sich seit Jahren erfolgreich als Pionier im Kampf gegen die globale Armut. Das deutsche Magazin «Der Spiegel» jubelte im Januar 2009: «Eine Erfindung Niemöllers könnte das Gesicht der Flüchtlingslager und Slums der Erde verändern.» Gemeint war ein Apparat Niemöllers, der aus Kunstharzgetränkter Zellulose stabil...
Gerd Niemöller hat eine einnehmende Art, und er weiss sie einzusetzen: Der deutsche Diplom-Ingenieur verkauft sich seit Jahren erfolgreich als Pionier im Kampf gegen die globale Armut. Das deutsche Magazin «Der Spiegel» jubelte im Januar 2009: «Eine Erfindung Niemöllers könnte das Gesicht der Flüchtlingslager und Slums der Erde verändern.» Gemeint war ein Apparat Niemöllers, der aus Kunstharzgetränkter Zellulose stabile Waben herstellt. Niemöller schwärmte: Aus diesen Pappteilen liessen sich überall in der Welt innert weniger Stunden «hochökologische, witterungsbeständige und erdbebensichere Billighäuser» bauen.
Der «Spiegel»-Artikel löste einen Ansturm auf die Aktien von Niemöllers Unternehmen The Wall AG in Schaffhausen aus. Die Wabenpresse und ein Musterhaus standen im norddeutschen Kiel. Innert Kürze hat das Unternehmen 8,5 Millionen Franken von über 400 deutschen und auch einigen Schweizer Investoren eingesammelt – der grösste Teil davon mit Hilfe eines aggressiven Telefon-Marketings.
Interessierte Geschäftspartner investierten viel
Niemöller lockte Finanzinvestoren mit Behauptungen wie: «Man überrennt uns – es gibt Interessenten aus Simbabwe und Südafrika. Allein Nigeria hat 2400 Häuser bestellt. Bis Ende 2009 werden wir 125 000 Kubikmeter Wabe produzieren.» Auch Geschäftspartner interessierten sich dafür, seine Wabenhäuser weltweit zu vertreiben und damit neue Standards im Fertighausbau zu setzen. Zu diesem Zweck wurde Anfang 2010 die Consido AG gegründet – an der gleichen Schaffhauser Adresse wie The Wall AG. Die Consido pumpte Geld von neuen Investoren in das Firmengeflecht – der Traum von den Papierhäusern für die Entwicklungsländer schien in Erfüllung zu gehen.
Bis den Geschäftpartnern allmählich dämmerte, dass Niemöllers Wabenpresse nicht annähernd das leistete, was es für die Produktion gebraucht hätte. Auf Druck der Investoren wurde Niemöller als Verwaltungsratspräsident durch Klaus Meumann von der Consido ersetzt. Man entschloss sich, den Pressautomaten nun von der Maschinenbau Bühler in Uzwil SG herstellen zu lassen.
Meumann beauftragte das Zürcher Ingenieurbüro Helbling Technik, Vorschläge für eine Verbesserung der Presse zu machen. Das Urteil der Experten: Es bringe nichts, an Niemöllers Presse weiterzutüfteln. Sie sei im Kern unbrauchbar. Klaus Meumann sagt dazu: «Eine neue Maschine hätte bis zum Prototyp 900 000 Franken gekostet. Die Sanierung der Wall AG hätte weitere 1,1 Millionen verschlungen. Geld, das niemand nachschiessen wollte.»
Trotz Konkurs macht Niemöller weiter
Damit war das Ende der The Wall AG besiegelt: Die Firma ging im August 2011 konkurs, zwei Monate später folgte die Consido AG. Das viele Geld, das die Geschäftspartner und Hunderte von gutgläubigen Kleinaktionären in den Traum investiert hatten, ist grösstenteils verloren. Nur einer macht munter weiter: Niemöller. Er verkündet auf www.the-wall.ch bereits wieder neue Vorhaben mit seiner Wabentechnik.
Auf Anfrage von K-Geld sagt Niemöller zum Neustart: «Ich setze die Entwicklung mit neuen Partnern fort, da es sich lohnt. Die Presse wurde mittlerweile einem kompletten Redesign unterzogen.» Anfang 2012 würde seine neue Firma zudem das erste Minergie-plus-Haus in der Schweiz bauen. Niemöller beteuert: «An diesen Aktivitäten werden – bis auf wenige Ausnahmen – alle ehemaligen Aktionäre kostenfrei und ohne Verpflichtungen teilhaben. Das ist mein Geschenk an sie und mein Dank für ihr Vertrauen.»
Sein Credo laute immer: «Ich möchte gemeinsam mit meinen Anlegern Geld verdienen.» Die vielen enttäuschten Anleger dürften sich vor allem über das Wort «gemeinsam» masslos ärgern.