Die Klägerin fühlt sich über den Tisch gezogen. «Ich hätte nie und nimmer so viel ausgegeben, wenn man mir das Problem geschildert hätte», beschwert sie sich beim Einzelrichter des Bezirksgerichts Weinfelden TG. 15 000 Franken seien für ein Freizeitpferd eine stolze Summe. Sie habe Anfang 2016 ein gesundes und sicheres Pferd gesucht, das in einem Stall mit freiem Weideauslauf gehalten werden könne. Der Verkäufer und sein Vater hätten ihr zugesichert, der 12-jährige Holländer-Wallach sei gesund und für ihre Zwecke «sehr geeignet». Er sei «100 Prozent verkehrs- und geländesicher». Das war der erfahrenen, im Rentenalter stehenden Käuferin wichtig. Vor dem Kauf liess sie das Pferd vom Tierarzt des Verkäufers untersuchen. Dieser habe Hautprobleme des Tieres in der Vergangenheit erwähnt, die aber längst behoben seien.
Im Inserat des Verkäufers stand, er müsse das Pferd «aus gesundheitlichen Gründen» abgeben – wegen eines Bandscheibenvorfalls, sagte er der Thurgauerin später. «Erst später stellte sich heraus, dass er immer wieder Pferde verkauft», erzählt sie dem Richter. Mal einen «sehr braven und willigen» Rappen oder einen «temperamentvollen Fuchs». Ein Pferd nach dem anderen, so die Klägerin.
Das Pferd ist wohl allergisch auf Insektenspeichel
Der Verkauf erfolgte schliesslich im Januar. Damals sah die Käuferin keinen Grund zum Argwohn. Vorerst lief alles bestens. Doch heute ist sie überzeugt, dass Sohn und Vater den Verkauf bewusst in den Winter legten. Denn im Mai wurde der Wallach nervös und begann sich wund zu scheuern. Ein klarer Fall von Sommerexkzem, wie sich herausstellte: Manche Pferde sind allergisch auf den Speichel gewisser Insekten, darunter die kleine Bartmücke oder die Kriebelmücke.
Die Käuferin informierte den Verkäufer über das Ekzem. Das sei ein Mangel, deshalb wolle sie den Kaufvertrag rückgängig machen. Es sei unmöglich, das Pferd im offenen Stall zu halten, der an einem Bach liege.
Der Verkäufer war bereit, das Pferd zurückzunehmen. Aber nicht zum Kaufpreis. Er sagte dem Richter: Er habe der Frau angeboten, zu zahlen, was er könne. Sie verlangte jedoch eine Rückabwicklung des Kaufs und wollte die gesamten 15 000 Franken zurück. Vater und Sohn besuchten die Käuferin daraufhin und unterbreiteten ihr einen Kaufvertrag über 6000 Franken – «entweder so oder gar nicht». Die Männer nahmen das Tier mit und bezahlten.
Die Klägerin unterschrieb, brachte aber den Vorbehalt an, dass sie auf der Rückabwicklung bestehe. Sie habe «in einer Notsituation» gehandelt, sagt sie dem Richter. «Ich wollte verhindern, dass sich das Pferd weiter verletzt.» Nun fordere sie die Differenz von 9000 Franken.
Davon will der Verkäufer nichts wissen. «Der Kauf ist lange her – und im Pferdehandel haftet der Verkäufer nur, wenn ein Mangel innert neun Tagen gerügt wird», sagt er dem Richter lächelnd.
Klägerin muss beweisen, dass sie getäuscht wurde
Die Frist von neun Tagen gelte nicht bei absichtlicher Täuschung, kontert die Klägerin. Und genau darum gehe es: um Täuschung.
Vor Gericht muss die Klägerin beweisen, dass sie getäuscht wurde. Doch beim Handel waren nur der Vater des Verkäufers und der langjährige Tierarzt der Familie anwesend. Der Richter lädt sie für eine weitere Verhandlung als Zeugen vor. Beide bleiben vage. Der Vater behauptet, er könne sich nicht mehr genau erinnern, das sei nun schon zwei Jahre her. Er gehe aber davon aus, dass er vom Kratzen gesprochen habe und was man dagegen tun müsse. Der Tierarzt sagt, es sei offen diskutiert worden. Auf die Frage, ob das Pferd damals gesund war, weicht der Tierarzt aus.
Am Ende weist das Gericht die Forderung der Klägerin über 9000 Franken ab. Der Beweis für eine absichtliche Täuschung sei misslungen. Die beiden Zeugen hätten glaubhaft darlegen können, dass die Hautprobleme vor dem Verkauf thematisiert worden seien. Die Klägerin muss die Gerichtskosten von 1400 Franken übernehmen.
Verträge kaum anfechtbar
Grundsätzlich gilt: Verträge sind zu halten. Was abgemacht wurde, ist für beide Seiten verbindlich. Das gilt auch für Kaufverträge. Eine Rücktrittsfrist gibt es nur in seltenen Fällen – etwa bei Haustürgeschäften. Ausnahme: Wer sich beim Vertragsschluss in einem wesentlichen Punkt irrte, wer absichtlich getäuscht oder bedroht wurde, kann jeden Vertrag innert eines Jahres anfechten. Die Frist gilt ab Kenntnis des Irrtums oder der Täuschung – oder ab Wegfallen der Drohung. In solchen Fällen sind die bereits ausgetauschten Leistungen zurückzugeben.