Das Ehepaar blättert nervös in seinen Unterlagen. «Es ist unser erster Gerichtstermin», sagt die Frau im Verhandlungssaal des Bezirksgerichts Frauenfeld zur Einzelrichterin. Ihr Mann nickt und schaut stumm zum Beklagten hinüber.
Wegen Wohnungsmängeln fordert das Paar 5600 Franken vom Vermieter. Das entspricht einer Mietzinsreduktion von 70 Prozent während sechs Monaten.
Die Wohnsituation sei unzumutbar gewesen, sagt die Frau. Im Winter 2019/2020 hätten sie wegen der mangelhaften Heizung und schlechten Isolierung in der Wohnung geschlottert. Dafür gebe es Zeugen. Auf dem eingereichten USB-Stick mit fast 400 Dokumenten sei auch ein Beweisvideo abgelegt.
Der Vermieter lacht. «Die filmten doch einfach einen Thermometer, der 16,4 Grad anzeigt – vermutlich war das Fenster offen», wirft er ein. Die Mieter lassen sich nicht beirren. Teil ihrer Forderung sei auch ein Entgelt für den zusätzlichen Stromverbrauch wegen der elektrischen Heizradiatoren, die sie zur Not besorgt hätten. Hinzu komme eine monatelange Baustelle des Vermieters direkt vor ihrem Fenster. Auch die Nebenkostenabrechnung sei fehlerhaft.
Mieterin: «Jeden Tag gab es bis nach Mitternacht Gerangel»
Das Fass zum Überlaufen gebracht habe der Einzug neuer Nachbarn. Im Treppenhaus seien Cannabis und andere Substanzen herumgelegen, schildert die Mieterin. «Jeden Tag gab es bis nach Mitternacht Gerangel oder Schlägereien, Möbel wurden rumgeworfen, und eines Morgens lag sogar eine geladene Pistole vor unserer Terrassentür.» Es sei zu gefährlich geworden, mit dem Kleinkind weiter dort zu wohnen. Deshalb zogen sie Mitte Mai vergangenen Jahres aus. Den Mietzins für den Folgemonat hinterlegten sie bei der Schlichtungsbehörde.
Das Ehepaar schlug dem Vermieter angesichts der nicht eingehaltenen Kündigungsfrist einen Kompromiss vor: Er hätte die Mietkaution – zwei Monatsmieten in der Höhe von insgesamt 2700 Franken – sowie den hinterlegten Mietzins erhalten. Zusammen also drei Monatsmieten. «Und was war seine Antwort? Er betrieb uns und verlangte auch noch Geld für einen Wasserschaden», sagt die Mieterin. Der Schaden habe schon vor dem Einzug bestanden. Das Dach sei undicht, Wasser tropfe eine Wand entlang in alle Wohnungen.
Vermieter: «Ich habe stets angemessen reagiert»
Nun kann sich der Vermieter gegen die Vorwürfe wehren. Seiner Meinung nach bauschen die Kläger das Problem mit der Heizung auf. Andere Mieter hätten sich nicht beklagt. «Ich habe stets angemessen reagiert.» Im Badezimmer etwa habe er «aus Kulanz einen grösseren Radiator einbauen lassen». «Kulanz?», wirft der Mieter ein: «Der erste Radiator war verkehrt montiert, deshalb wurde es nie warm.» Die Einzelrichterin mahnt, Zwischenrufe zu unterlassen. Der Vermieter fährt fort: Nur vier Tage nach dem Einzug problematischer Nachbarn auszuziehen, sei eine Überreaktion. Einen Nachmieter habe das Paar nicht gestellt. Deshalb beharre er auf einer Kündigung per Monatsende und drei Monaten Kündigungsfrist. Das Paar schulde ihm total also vier Monatsmieten oder rund 5500 Franken plus Wasserschaden.
Die Richterin hakt bei den Nebenkostenabrechnungen ein. Daraufhin muss der Vermieter Fehler eingestehen. Bei der Kündigungsfrist gibt sie ihm jedoch recht. Etliche Vorfälle mit den Nachbarn – etwa mit der Pistole – hätten sich erst ereignet, nachdem die Mieter per sofort gekündigt hätten. Sie könnten nicht als Gründe für eine fristlose Kündigung nachgeschoben werden.
Dass die Wohnung zu kalt war, hält die Richterin wegen der Zeugen für nachweisbar. Und was den Wasserschaden betreffe, sei kein Verschulden der Mieter ersichtlich. Nach gut drei Stunden schlägt sie einen Kompromiss vor. Beide Seiten sollen auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten: «Der Vermieter soll das Depot von 2700 Franken behalten, die hinterlegte Miete von 1350 Franken geht an die Kläger zurück.»
Zähe Verhandlungen gehen los. Erst als die Mieter ankündigen, die Gerichtsgebühr von 320 Franken zu übernehmen, stimmt der Vermieter dem Vergleich zähneknirschend zu.
So können sich Mieter gegen Mängel wehren
Kleinere Mängel müssen die Mieter auf eigene Kosten beheben. Gröbere Mängel sind Sache des Vermieters. Man sollte sie schriftlich und eingeschrieben melden. Ist die Benutzung der Mietsache beeinträchtigt, kann man eine Mietzinsreduktion verlangen. Für eine unzureichende Heizung beträgt sie 10 bis 20 Prozent, bei starker Belästigung durch eine benachbarte Baustelle etwa 20 bis 35 Prozent – je nach Lage der Wohnung.
Behebt der Vermieter einen gerügten Mangel nicht innert angemessener Frist, haben Mieter ein Druckmittel: Sie können ankündigen, künftige Mieten bei der Schlichtungsbehörde zu hinterlegen. Ist der Mietzins hinterlegt, kann der Vermieter nicht wegen Zahlungsverzugs kündigen. Das Gericht entscheidet auf Klage der Mieter dann über das Ausmass der Mietzinsreduktion.