Wer Bio-Senf kauft, erwartet ein Produkt ohne gesundheitsschädliche Stoffe. Doch das von saldo beauftragte Labor fand im Naturaplan-Senf von Coop das Pestizid Glyphosat, im Migros-Bio-Senf vermutlich hormonaktives Bisphenol F und im Bio-Senf von Globus den giftigen Pflanzenstoff Erucasäure. Die Experten prüften 16 Produkte auf Pestizide, Bisphenol F, Erucasäure, Schimmelpilzgift, Schwermetalle sowie Sulfit. Die Preise variieren stark: Sie liegen zwischen 22 Rappen und Fr. 6.30 pro 100 Gramm Senf.
Die Laboranalyse zeigte: Kein Senf ist frei von kritischen Substanzen. Bei 8 der 16 Produkte waren die Gehalte so gering, dass es trotzdem für eine gute Gesamtnote reichte. Der Aldi-Senf «Le Gusto» schaffte sogar ein sehr gutes Gesamtresultat. Ebenfalls erfreulich: Kein Senf im Test enthielt das Schimmelpilzgift Ochratoxin A. Die Schwermetalle Blei und Nickel sowie die Schwefelverbindung Sulfit waren ebenfalls nur in unbedenklichen Mengen vorhanden.
Unerfreulich: Die Hälfte der Produkte enthielt den Unkrautvernichter Glyphosat. Die Weltgesundheitsorganisation WHO und die Internationale Agentur für Krebsforschung stufen das Pestizid für Menschen als «möglicherweise krebserregend» ein. In Tierversuchen wurden bei Ratten und Mäusen Tumore beobachtet. Gemäss den Krebsforschern kann Glyphosat Zellen und Erbgut schädigen. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit dagegen hält diese Einstufung für nicht gerechtfertigt.
In der Schweiz gelten für mehr als 300 Erzeugnisse pflanzlicher und tierischer Herkunft Grenzwerte für Glyphosat. Die meisten Produkte dürfen höchstens 0,1 Milligramm Glyphosat pro Kilogramm (mg/kg) enthalten. Der Senf von Coop Qualité & Prix wies mit 0,16 mg/kg deutlich mehr davon auf. Für Senfsaaten hat die Schweiz jedoch einen Grenzwert von 10 mg/kg festgelegt. Warum Senfsamen 100 Mal mehr Glyphosat aufweisen dürfen als andere pflanzliche Erzeugnisse, geht aus der Verordnung nicht hervor.
Mehrere heikle Stoffe nachgewiesen
In 15 von 16 Produkten fand das Labor Bisphenol F. Diese chemische Verbindung wird in Kunststoffen verwendet. Laut dem deutschen Bundesinstitut für Risikobewertung ähnelt Bisphenol F in der chemischen Struktur Bisphenol A. Die Experten nehmen an, dass es wie Bisphenol A auf das Hormonsystem wirkt. Das Institut wendet daher die tolerierbare Aufnahmemenge von Bisphenol A an.
Demnach sollte eine 60 Kilo schwere Person nicht mehr als 0,24 Milligramm Bisphenol F pro Tag konsumieren. Bei vier Produkten im Test nehmen Senfliebhaber schon mit einer Portion von 12 Gramm über einen Drittel dieser Menge auf. Dabei handelt es sich um den Senf M-Classic von Migros, Kania von Lidl und die Coop-Produkte Prix Garantie und Qualité & Prix. Mehr Bisphenol F fand das Labor im M-Budget-Senf. Den mit Abstand höchsten Gehalt wies der Migros-Bio-Senf mit 0,4 Milligramm Bisphenol F pro Portion auf. Das ist mehr, als für eine 60 Kilo schwere Person pro Tag tolerierbar ist. Das Problem: Konsumenten nehmen den Stoff auch mit anderen Lebensmitteln auf. Forscher fanden in Fisch, Meeresfrüchten und Fleischprodukten hohe Mengen Bisphenol F.
Problematisch ist auch Erucasäure. Diese pflanzliche Fettsäure stammt aus den ölreichen Senfsamen. Laut der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit zeigten Tierversuche, dass Erucasäure zu einer Verfettung des Herzens führen kann. Bei höheren Dosen kam es bei Labortieren zu Gewichtsveränderungen der Leber, Niere und Skelettmuskulatur.
Problematische Fettsäure im teuren Bio-Senf von Globus
Seit Ende 2019 gilt in der EU ein Höchstgehalt von 35 Milligramm Erucasäure pro Gramm Senf. In der betreffenden Verordnung warnt die EU-Kommission: Aufgrund der hohen Konzentrationen an Erucasäure in Senf bestehe «die Gefahr einer erheblichen Exposition durch den Verzehr von Senf». Laut den Experten können Hersteller durch die Verwendung geeigneter Senfsaaten den Erucasäure-Gehalt senken. Alle Produkte enthielten Erucasäure, jedoch unter dem EU-Grenzwert. Laut Europäischer Behörde für Lebensmittelsicherheit sollte eine 60 Kilogramm schwere Person höchstens 420 Milligramm Erucasäure pro Tag aufnehmen.
Jeder zweite Senf im Test enthielt pro Portion bereits die Hälfte davon. Der Bio-Senf von Globus kam gar auf 336 Milligramm. Coop versichert, den Glyphosatrückstand im Naturaplan-Senf «sehr ernst» zu nehmen. Der Lieferant stehe mit Bio Suisse und der Zertifizierungsstelle Bio Inspecta in Kontakt. Die Migros will die Produkte selbst überprüfen, bevor sie mögliche Massnahmen bekanntgibt.
So wurde getestet
Zwei deutsche Labors analysierten für saldo 16 häufig verkaufte Senfe der Grossverteiler. Im Detail wurde gesucht nach:
- Glyphosat: Die Internationale Agentur für Krebsforschung stuft den Unkrautvernichter als möglicherweise krebserregend ein.
- Erucasäure: Sie ist ein natürlicher Bestandteil von Pflanzensamen und kommt in pflanzlichen Ölen und Fetten vor. Hohe Gehalte in Lebensmitteln sind gesundheitsschädlich.
- Bisphenol F: Die chemische Verbindung entsteht wahrscheinlich während des Herstellungsprozesses aus einem Stoff, der natürlicherweise in weissem Senf enthalten ist.
- Ochratoxin A: Das Schimmelpilzgift entsteht durch fehlerhafte Ernte, Trocknung oder Lagerung. Es kann die Nieren und die Leber schädigen.
- Blei, Kadmium: Die beiden Schwermetalle kommen natürlicherweise in Böden vor, gelangen aber auch durch Luftverschmutzung und Landwirtschaft in die Natur. Blei ist ein Nervengift. Kadmium lagert sich in menschlichen Organen ab.
- Sulfit: Empfindliche Leute können von Schwefelverbindungen Kopfschmerzen, Übelkeit, Hautausschlag oder Durchfall bekommen.