Silvia Marti aus Schüpfen BE machte im vergangenen Jahr Ferien auf der Insel Samos in Griechenland. Der Rückflug war am 17. Juli für 12.30 Uhr geplant. Doch am Flughafen war keine Maschine der Edelweiss. Marti erinnert sich: «Wir warteten einige Stunden ohne jede Information.»
Der Flug startete schliesslich um 17.30 Uhr und landete in Zürich mit einer Verspätung von rund sechs Stunden. Marti reklamierte bei Edelweiss und forderte eine Entschädigung für die Warterei, die Verpflegung und Telefonate.
Edelweiss bedauerte die Verspätung. Man habe einen technischen Defekt reparieren müssen. Die Kundin dürfe die Belege für die Auslagen einreichen. Eine Pauschale verweigerte die Airline. Sie behauptet gegenüber saldo, die aktuelle Rechtslage in der Schweiz sehe «bei langen Verspätungen keine Ausgleichsleistungen vor».
Leserin erhielt dank saldo einen Anwalt
Das stimmt nicht: Die EU-Fluggastverordnung gilt auch in der Schweiz. Der Europäische Gerichtshof urteilte bereits im Jahr 2009: Bei Verspätungen über drei Stunden schulden die Airlines mit Start oder Ziel in der EU eine Pauschalzahlung (siehe Unten).
Der saldo-Rechtsschutzfonds finanzierte Marti einen Anwalt, um die Entschädigung von rund 450 Franken einzufordern. Trotz mehreren Schreiben zahlte Edelweiss nur 40 Franken für Verpflegung und Anrufe. Schliesslich reichte der Anwalt in Bern Klage ein. Jetzt war Edelweiss bereit, die eingeklagten 450 Franken zu zahlen – samt den Verfahrenskosten von 200 Franken. Edelweiss sagt dazu: Man habe «im vorliegenden Fall eine Kulanzleistung erbracht».
Auch Easyjet und Swiss zahlten schliesslich
Andere Fluggesellschaften zahlten ebenfalls erst nach Einreichung der Klage. Etwa Easyjet: Ein Berner Ehepaar wollte mit Easyjet von Prag nach Basel fliegen. Der Flug fand erst am Folgetag statt. Easyjet zahlte das Hotel, ein Taxi und die Verpflegung, verweigerte aber die geschuldete Verspätungspauschale. Erst als das Paar Klage einreichte, zahlte Easyjet rund 570 Franken und übernahm die Verfahrenskosten.
Easyjet betont, dass grundsätzlich die Ansprüche aus der EU-Verordnung anerkannt werden. «Die Airline zahlt stets eine Entschädigung, wenn sie fällig ist, und zahlt jährlich mehrstellige Millionenbeträge an Entschädigungen und Ausgleichszahlungen.»
In einem Fall aus Genf zahlte die Swiss für fünf Fluggäste insgesamt 1328 Franken. Ihr Flug von Genf nach Mallorca hatte sich um mehr als drei Stunden verspätet. Die Swiss zahlte – aber erst nach Einreichung der Klage. Das Zivilgericht Genf verpflichtete die Airline dann auch noch, die Gerichtskosten von 1000 Franken zu übernehmen (saldo 12/2018).
Das bedeutet: Wenn Fluggesellschaften die geschuldeten Entschädigungen verweigern, hilft oft nur Hartnäckigkeit. Nur wer Klage einreicht, erhält das Geld – meist vor der ersten Verhandlung.
So setzen Sie Ihren Anspruch durch
Verspätet sich ein Flug um mehr als drei Stunden, haben die Kunden je nach Distanz Anspruch auf eine Vergütung von umgerechnet 280 bis 680 Franken. Das gilt für Flüge aus der Schweiz oder der EU und für hier ankommende Flüge von EU- und Schweizer Airlines auch aus Drittstaaten. Die Entschädigung entfällt bei aussergewöhnlichen Umständen wie etwa schlechtem Wetter.
Zudem muss die Gesellschaft die Kosten für Verpflegung, Hotel und Telefonate zahlen.
Ihre Entschädigung müssen Sie zuerst bei der Airline einfordern.
Verweigert die Airline eine Zahlung, bleibt der Gerichtsweg. Das Schlichtungsgesuch an die Schlichtungsbehörde des Wohnsitzes kann man selber ausfüllen und einreichen. Das Verfahren kostet je nach Kanton bis zu einigen Hundert Franken. Der Kläger muss die Kosten vorschiessen.
Eine Vorlage können Sie hier herunterladen: Saldo.ch/schlichtung
Weitere Informationen gibt das saldo-Merkblatt zum Reiserecht unter: Saldo.ch/reiserecht