Moderne Benzinautos gelten seit dem Dieselskandal vor vier Jahren als weniger schmutzige Alternative zu Dieselmodellen. Die Verkaufszahlen der Benziner mit Direkteinspritzung steigen seitdem laufend. Bei diesen Motoren wird der Sprit genau dosiert und direkt in den Brennraum gespritzt. Das reduziert den Verbrauch um bis zu 15 Prozent. VW kennzeichnet solche Autos mit dem Kürzel TSI, Audi mit TFSI. Renault spricht von DIE, Mitsubishi von GDI.
Doch Direkteinspritzer stossen im Durchschnitt 63-mal so viel ultrafeine Russpartikel aus wie ein sechs Jahre alter Diesel mit Partikelfilter. Auf diesen Russpartikeln haften 6 bis 38 Mal mehr krebserregende Substanzen als auf den Russemissionen von Dieselautos. Das fanden Wissenschafter des Forschungsinstituts Empa in Dübendorf ZH und der Berner Fachhochschule in Biel BE heraus. Grund: Die direkt eingespritzten Benzintröpfchen verbrennen im Motor nicht vollständig. Sie werden in ultrafeine Russpartikel umgewandelt und gelangen mit den Abgasen in die Luft, wenn das Auto keinen Partikelfilter hat. Das ist bei fast einer Million Direkteinspritzern in der Schweiz der Fall.
Die Empa-Forscher stellten sieben Direkteinspritzer ohne Partikelfilter und ein Dieselauto mit Partikelfilter auf den Prüfstand (siehe Grafik im PDF). Laut Forschungsleiter Norbert Heeb war der Diesel «das mit Abstand sauberste Fahrzeug». Gemäss dem deutschen Abgasexperten Axel Friedrich bestätigt das die Messresulate des deutschen Umweltbundesamtes.
Ultrafeine Abgaspartikel verteilen sich im Körper
Der Berner Lungen- und Nanopartikelspezialist Peter Gehr warnt: «Die Abgase der ungefilterten Direkteinspritzer sind um ein Vielfaches gesundheitsschädlicher als die von Dieselmotoren mit Filtern.» Die ultrafeinen Partikel gelangen beim Einatmen in die Lunge, von wo sie in die Blutbahn kommen und im Körper verteilt werden können. Die ultrafeinen Partikel funktionierten wie «trojanische Pferde»: An ihrer Oberfläche haften unter anderem sogenannte «polyzyklisch aromatische Kohlenwasserstoffe», kurz: PAK.
Für den international renommierten Basler Präventivmediziner Nino Künzli ist klar: «PAK und Feinstaub sind krebserregend. Bei Feinstaub mit all seinen toxischen Inhaltsstoffen stehen zudem Atemwegs- und Herz-Kreislauf Erkrankungen im Zentrum.»
Eine im März veröffentlichte Studie des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz (D) geht davon aus, dass in der Schweiz pro Jahr rund 8500 Menschen an den Folgen von Luftverschmutzung frühzeitig sterben. Studien des Schweizer Bundesamts für Raumentwicklung rechnen mit jährlich 2200 frühzeitigen Todesfällen.
Experten fordern Nachrüstung mit Partikelfiltern
«Die Nachrüstung ist einfach», sagt Abgasexperte Friedrich. Er liess einen Partikelfilter in einen Ford Focus 1.0 einbauen. Forscher Heeb untersuchte die Wirkung von Partikelfiltern: Sie fangen bis 98 Prozent der Partikel und bis 80 Prozent der PAK ab.
Immerhin: Neue Direkteinspritzer müssen laut dem Bundesamt für Strassen seit September 2018 denselben Grenzwert wie Dieselautos einhalten. Sie dürfen maximal 600 Milliarden Partikel pro Kilometer ausstossen. Partikelfilter sind der effizienteste Weg dazu. Noch sind aber laut Bundesamt rund 927 000 Direkteinspritzer ohne Filter unterwegs. Für Dieselautos gilt der Grenzwert bereits seit 2013. 1,1 der 1,4 Millionen Dieselautos fahren mit Filter.
Laut Thomas Rohrbach vom Bundesamt für Strassen wäre eine verordnete Nachrüstung für ältere Direkteinspritzer «äusserst aufwendig und sehr teuer». Abgasexperte Andreas Mayer von der Firma TTM in Niederrohrdorf AG rechnet aber nur mit Kosten von 300 bis 600 Franken pro Auto. Er fordert, die Filterpflicht auch auf ältere Benziner auszudehnen: «Es geht nicht, dass wir ausgerechnet bei Benzinern nichts gegen die hochgiftigen Abgase unternehmen, während die Filter beim Diesel längst Vorschrift sind.»
Auch Benziner ohne Direkteinspritzung unter Verdacht
Die Empa und die Berner Fachhochschule veröffentlichten im März Feinstaubmessungen eines Fiat Panda Twinair 0,9 Liter. Der Benziner hat keine Direkteinspritzung, sondern eine sogenannte Saugrohreinspritzung. Er stiess 104-mal mehr Partikel und 18-mal mehr krebserregende Substanzen aus als ein Diesel mit Partikelfilter. In der Schweiz sind laut Bundesamt für Strassen 1,9 Millionen Benziner mit Saugrohreinspritzung im Verkehr. Sie haben in der Regel keinen Filter. Für sie gelten die neuen Partikelgrenzwerte nicht. Grenzwerte für Krebssubstanzen gibt es nicht.