Der Abflug von Edelweiss Air nach Gran Canaria erfolge statt um 13.15 neu um 22 Uhr – so lautete am 21. Mai kurz nach Mittag die Durchsage im Flughafen Zürich. Für die Passagiere hiess das: Ihr Flug verspätete sich um fast neun Stunden. Sie erfuhren aber nicht, dass sie Anspruch auf Verpflegung hatten oder sogar auf den Flug verzichten und ihr Geld zurückfordern konnten. In der Flughafendurchsage hiess es nur, sie dürften in bestimmten Restaurants ein Erfrischungsgetränk beziehen. Gar nichts dergleichen hörten nach Angabe eines Betroffenen die Passagiere des Edelweissflugs nach Split, der zweieinhalb Stunden verspätet startete.
Edelweiss sagt dazu, man informiere die Passagiere bei Verspätungen stets via SMS und E-Mail – auch zu ihren Rechten in solchen Fällen.
Informationen zu den Passagierrechten sind nur an den Abfertigungsschaltern der Flughäfen Vorschrift. Die Airlines müssen sicherstellen, dass Passagiere dort «deutlich sichtbar» einen Hinweis auf ihre Rechte bei überbuchten, annullierten und verspäteten Flügen vorfinden. So will es die europäische Verordnung über die Fluggastrechte, die seit Ende 2006 auch in der Schweiz gilt. Am Flughafen Zürich kommen Swiss- oder Edelweiss-Passagiere aber oft nicht mehr an Abfertigungsschaltern vorbei: Das Check-in erledigen viele per Internet, und die Gepäckaufgabe müssen sie neuerdings auch selbst vornehmen.
Informationen über die Passagierrechte dürften diesen Sommer sehr gefragt sein. Der weitgehend selbstverschuldete Personalmangel vieler Airlines, Flughäfen und Bodendienstleister führte schon in den letzten Wochen zu Verspätungen und Flugausfällen. Kommt es noch zu technischen Pannen wie vergangene Woche bei der Flugsicherung Skyguide, die eine stundenlange Schliessung des gesamten Schweizer Luftraums zur Folge hatten, geht gar nichts mehr. Tourismus-Professor Christian Laesser von der Uni St. Gallen prognostizierte im «Blick» schon vorher, es werde während der Sommerferien «zu Chaos an europäischen Flughäfen kommen». Die Swiss will im Sommer rund hundert Flüge streichen. Betroffen sind etwa 10 000 Passagiere. Auch Easyjet streicht Flüge. Ob und in welchem Umfang Flüge aus der Schweiz betroffen sind, sagt die Airline nicht.
Das gilt bei Annullierungen und Verspätungen
Die europäische Passagierrechtsverordnung gilt für alle Flüge, die in der Schweiz oder in der EU starten. Und für alle Flüge mit einer Schweizer oder EU-Airline, die in der Schweiz oder der EU landen. Die wichtigsten Punkte:
- Bei einer Annullierung des Flugs können Passagiere die Ticketkosten zurückverlangen oder die Beförderung mit einem anderen Flug ans Reiseziel fordern. Die Airline muss Betreuungsleistungen wie Mahlzeiten, gegebenenfalls Unterkunft, Transfer und Telefonate zahlen. Dazu kommt eine Entschädigung, falls die Annullierung weniger als zwei Wochen vor Abreise erfolgt. Diese beträgt 125 bis 600 Euro – je nach Flugdistanz und zeitlicher Abweichung von Abreise und Ankunft zum ursprünglich gebuchten Flug. Ausnahme: Führten aussergewöhnliche Umstände wie ein Unwetter oder eine Bombendrohung zur Annullierung, haben Passagiere nichts zugut.
- Ab einer Verspätung von zwei Stunden haben Passagiere bei einem Kurzstreckenflug bis 1500 Kilometer Anspruch auf Getränke und Essen. Bei Flügen über 1500 Kilometer gilt das ab drei Stunden, bei Flügen über 3500 Kilometer ab vier Stunden. Und bei einer Verspätung ab fünf Stunden können Betroffene auf den Flug verzichten und die Ticketkosten zurückverlangen.
- Passagiere haben bei einer Verspätung von mehr als drei Stunden, die nicht auf aussergewöhnliche Umstände zurückzuführen ist, eine Entschädigung wie bei einer Flugannullierung bis maximal 600 Euro zugut. Das stellte der Europäische Gerichtshof schon vor Jahren mit einem Urteil klar. Massgebend ist die Verspätung am Zielflughafen.
Einige Airlines behaupten fälschlicherweise, die Urteile des Gerichtshofs gälten in der Schweiz nicht. Laut Simon Sommer, Jurist beim Fluggastrechteportal Cancelled.ch, weigert sich etwa die Swiss bei grossen Verspätungen zunächst oft, Entschädigungen zu zahlen. Sommer: «Deshalb klagen wir gegen die Airline meist in einem EU-Land.» saldo machte schon vor drei Jahren Fälle von Swiss, Edelweiss und Easyjet publik, die zeigten: Entschädigungen gab es für Passagiere erst, nachdem diese eine Klage eingereicht hatten (saldo 5/2019). Inkassodienste wie Cancelled, Airhelp und Flightright versuchen, im Auftrag von Passagieren bei Airlines Entschädigungsforderungen durchzusetzen. Im Erfolgsfall behalten sie 25 bis 40 Prozent der Summe als Honorar, bei Nichterfolg stellen sie keine Rechnung («K-Tipp» 13/2019).
Swiss und Lufthansa: Sitzplatzwechsel neu kostenpflichtig
Wer bei Swiss, Lufthansa und Austrian Airline ein «Economy Light»-Ticket kauft und keinen Sitz reserviert, erhält automatisch einen Platz zugewiesen. Seit dem 21. Juni zahlen Kunden, die den Platz nachträglich ändern wollen, mindestens 30 Franken pro Strecke. Das war bisher kostenlos. Die Reservation eines Standardplatzes kostet laut Swiss weiterhin 14 Franken pro Strecke, die eines Platzes mit mehr Beinfreiheit 30 Franken. Die Airline versichert, dass Familien und Gruppen bei gemeinsamer Buchung wie bisher nicht getrennt werden.