Die Stimmung vor der Einzelrichterin des Bezirksgerichts Bülach ZH ist eisig. Die Parteien schütteln sich nur widerstrebend die Hand und begrüssen sich mit einem knappen «Grüezi». Danach würdigen sie sich keines Blickes mehr.
Klägerin ist eine Treuhandfirma aus dem Kanton Zürich. Sie verwaltet ein Mehrfamilienhaus mit 18 Stockwerkeigentümern. Der Beklagte ist einer davon. Die Treuhandfirma lässt sich von der Geschäftsführerin und einer Angestellten vertreten. Die beiden Frauen sind ohne Anwalt erschienen – wie der Stockwerkeigentümer.
Die Geschäftsführerin ergreift das Wort und begründet die Klage: Der Mann habe seinen Anteil für die gemeinschaftlichen Kosten von Wasser, Abwasser und Strom nicht bezahlt. Geschuldet seien die Beiträge für die vergangenen zwei Jahre, total Fr. 3975.05.
Die Richterin blättert in den Unterlagen und wirft dann einen fragenden Blick in Richtung des Beklagten. «Es stimmt», entgegnet dieser mit ruhiger Stimme. «Ich habe meinen Anteil an den Heiz- und Betriebskosten nicht bezahlt.» Seine Begründung: «Die Verwaltung hat mich enteignet.» Er schulde ihr deshalb nichts. «Vielmehr steht mir eine Entschädigung zu.»
Die Verwaltung habe ein neues, luxuriöses Garagentor montieren lassen – ohne dass dies vorher an einer Versammlung der Stockwerkeigentümer besprochen worden wäre. «Dieses Tor ist viel breiter als das alte. Seither kann ich kaum mehr parkieren», beschwert sich der Mann. Sein Parkplatz liege direkt neben dem Tor. Er habe für diesen 24 000 Franken bezahlt. «Dieses Geld will ich zurück.»
Die Geschäftsführerin der Treuhandfirma entgegnet, dass man sich erst seit März 2016 um das Mehrfamilienhaus kümmere. «Das Garagentor wurde also vor unserer Zeit erstellt.» Vor dem Friedensrichter habe der Beklagte nichts von einem Problem mit dem Tor gesagt. «Von dieser Forderung hören wir das erste Mal.»
Die Fotos des Beklagten können die Situation nicht klären
Die Richterin unterbricht die Verhandlung für eine kurze Pause. Danach ergreift sie das Wort und legt den Parteien ihre rechtliche Beurteilung dar. Der Beklagte sei Mitglied der Gemeinschaft von Stockwerkeigentümern. Er anerkenne, dass er der Verwaltung die eingeklagten Fr. 3975.05 schulde. Gleichzeitig mache er aber eine Gegenforderung geltend und wolle diese mit den geschuldeten Nebenkosten verrechnen. Der Schadenersatzanspruch sei aber nicht bewiesen. «Der Beklagte hat nur Fotos des neuen Tors eingereicht – nicht aber des alten. Ob er heute tatsächlich weniger Platz zum Parkieren hat, ist nicht feststellbar.»
Die Richterin rät dem Beklagten, seinen Anspruch bei den anderen Stockwerkeigentümern an der nächsten Versammlung geltend zu machen und einen entsprechenden Antrag zu stellen. Die Stockwerkeigentümer würden dann per Mehrheitsbeschluss entscheiden. Falls sie ihm nicht entgegenkämen, könne er den Betrag bei der Verwaltung gerichtlich einfordern. Der Erfolg sei allerdings ungewiss. Zuerst müsse er aber nun die geschuldeten Fr. 3975.05 zahlen, plus Verfahrenskosten von 745 Franken.
Die beiden Frauen nicken, und auch der Stockwerkeigentümer sieht plötzlich zufrieden aus: «Ich bin erleichtert», sagt er. «Die neue Verwaltung interessiert sich für mein Problem.» Er verlässt den Gerichtssaal plaudernd mit den beiden Firmenangestellten.
Verrechnung ausdrücklich erklären
Wenn zwei Parteien einander Geld schulden, können sie diese Forderungen miteinander verrechnen. Damit soll ein Hin und Her von Zahlungen vermieden werden. Beispiel: Eine Versicherung verlangt die Bezahlung der Prämie, ist aber dem Versicherten noch Leistungen schuldig. Dann kann der Versicherte die Verrechnung erklären. Die Forderung der Versicherung erlischt dann bis zur Höhe der noch offenen Gegenforderung. Wichtig: Die Verrechnung zweier gegenläufiger Forderungen erfolgt nicht automatisch, sondern nur, wenn es eine Partei ausdrücklich erklärt. Und: Eine Verrechnung ist nur möglich, wenn per Vertrag nichts anderes abgemacht wurde. Deshalb sollte man Verträge vor der Unterzeichnung genau durchlesen. Und Klauseln durchstreichen, welche eine Verrechnung wegbedingen.