Regelmässig berechnen die Statistiker des Bundes, wie viel die Wirtschaftszweige zum Wohlstand der Schweiz beitragen. Das ausgewiesene Plus bei der Landwirtschaft heisst: Die rund 55 000 Betriebe verdienten mit dem Verkauf ihrer Produkte nach Abzug der Kosten 2,2 Milliarden Franken. Die Rechnung erweckt den Eindruck, dass die meisten Bauern wirtschaftlich produzieren.
Wer genau hinschaut, entdeckt Ungereimtheiten. Felix Schläpfer, Volkswirtschafter und Vorstandsmitglied von Vision Landwirtschaft, nennt zwei Mängel:
- Die Statistiker klammern bestimmte Folgen der landwirtschaftlichen Tätigkeit aus, so zum Beispiel Umwelt- und Gesundheitsschäden, die Ammoniakemissionen aus Gülle und Mist verursachen. Die Statistik unterschlägt auch die Subventionen für «gemeinwirtschaftliche Leistungen», etwa an Bauern, die steile Hänge bewirtschaften oder die Artenvielfalt mit Blumenwiesen fördern.
- Der Wert der erzeugten Kartoffeln, Milch oder Eier (10,7 Milliarden Franken) richtet sich nach Schweizer Verkaufspreisen. Diese Preise sind überhöht. Die Agrarlobby verhindert, dass günstige Importwaren in die Läden kommen. Hiesige Konsumenten zahlen laut Bundesrat 50 Prozent mehr für Agrarprodukte als Käufer in Nachbarländern – pro Jahr total 3,5 Milliarden Franken.
Schläpfer macht in einer Studie für Vision Landwirtschaft eine realistischere Rechnung: Er rechnet mit Preisen ennet der Grenze und kommt auf einen Wert von 7,2 Milliarden Franken. Dazu addiert er die Umweltleistungen der Bauern von 1,2 Milliarden Franken. Dann zieht er ihre Kosten für Dünger, Futter oder Abschreibungen ab, ebenso die Kosten der Umweltsünden, total 9,4 Milliarden Franken.
Ergebnis: Schweizer Bauern erwirtschaften eine Milliarde Franken Verlust pro Jahr.
Subventionen: Fünfmal mehr als in Österreich
Das heisst: Viele Betriebe wären eigentlich längst pleite. Doch die Agrarpolitik verhindert das. Denn sie zwingt inländische Konsumenten, zu viel Geld für mittelmässige Kartoffeln und andere Agrarprodukte auszugeben (saldo 15/12). Kein anderes Land in Europa gönnt sich so teure Bauern wie die Schweiz: Bund und Kantone zahlen pro Hektar Agrarfläche 3500 Franken Subventionen im Jahr. Zum Vergleich: Österreich zahlt laut EU-Statistik 680 Franken, Holland 560 Franken.
Oft wäre es rentabler, weniger zu produzieren
Schläpfer kritisiert, dass die Schweizer Subventionspraxis den Bauern erlaubt, an «unrentablen Produktionsmethoden festzuhalten». Beispiel Zuckerrüben: Ein Bauer gibt für den Anbau zwei- bis dreimal so viel aus, wie er für die Rüben auf dem Markt bekommt. Das heisst, je mehr er anbaut, desto mehr verliert er. Nur Subventionen retten den Betrieb. Soeben hat sie der Bundesrat um 200 Franken pro Hektare erhöht.
Ähnlich bei der Milch: Schweizer Bauern kaufen seit Jahren Hochleistungskühe, die sie mit teurem Kraftfutter füttern müssen. So produzieren sie zu viel Milch. Die Schwemme senkt den Milchpreis (saldo 8/16).
Laut Studien der Forschungsanstalt Agroscope und der Hochschule für Agrarwissenschaften in Zollikofen BE würde es sich für Tausende von Milchbauern lohnen, weniger intensiv zu produzieren: Hält ein Landwirt weniger Kühe und bringt sie auf die Weide, spart er Futterkosten und Arbeit. Trotz geringem Ertrag verdient er so mehr als mit Hochleistungskühen. Zudem schont er die Umwelt und verkauft gesündere Milch (saldo 6/16). Schläpfer fordert mehr Anreize zu solchen Umstellungen. «Für die Bauern und die Volkswirtschaft wäre es oft sinnvoll, etwas weniger zu produzieren», sagt er.
Das Bundesamt für Landwirtschaft und der Schweizerische Bauernverband bestreiten, dass die Agrarpolitik unrentable Produktionsmethoden aufrecht erhält. Das Bundesamt rechtfertigt die hohen Schweizer Subventionen mit dem «teuren» Schweizer Umfeld. Zudem sei die Bevölkerung bereit, für die Leistungen der Landwirtschaft «etwas zu bezahlen».