Noch heisser als diesen Sommer war es in der Schweiz nur in den Jahren 2003 und 2015 – und das seit den ersten Messungen des Bundesamts für Meteorologie und Klimatologie (Meteo Schweiz). Wer in einer Stadt wohnt, leidet unter der Hitze besonders stark. Grosse Flächen sind asphaltiert, die vielen Häuser absorbieren Sonnenstrahlen und auch die Autos geben viel Abwärme ab. Das verstärkt die Erwärmung tagsüber und reduziert nachts die Abkühlung. Laut Meteo Schweiz sind Sommernächte in den Städten durchschnittlich um vier bis fünf Grad wärmer als auf dem Land.
In den vergangenen 25 Jahren nahm die Zahl der Hitzewellen zu. Die Bruthitze macht besonders älteren Leuten, Kindern und Kranken zu schaffen. Spätestens seit dem Jahr 2003 wissen die Behörden, was wegen des Klimawandels auf die Städte zukommt. Der damalige Sommer war laut dem Bundesamt für Umwelt schuld am Tod von rund tausend Personen. Laut Prognosen des Kantons Zürich wird es von 2021 bis 2040 im Zentrum der Stadt Zürich im Durchschnitt 35 Hitzetage und Tropennächte pro Jahr geben. Das heisst: Es wird so heiss werden wie 2003.
Vorgaben des Bundes für mehr Grün haben kaum Wirkung
Doch die Behörden sehen keinen grossen Handlungsbedarf. Der Bundesrat erarbeitete 2009 eine «Strategie des Bundes zur Anpassung an den Klimawandel in der Schweiz». Danach dauerte es vier Jahre, bis er endlich konkrete Ziele für die Anpassung der Städte an den Klimawandel verabschiedete:
Mehr Gründlächen und Bäume, um Wärme-Insel-Effekte zu reduzieren.
Keine zusätzlichen Beton- und Asphaltflächen mehr, damit die Hitze im Siedlungsraum rascher abgeführt wird.
Schneisen sicherstellen, durch die kalte Luft vom Umland in die Stadt fliessen kann.
Diese Vorgaben bewirkten wenig. Denn der Bund kann Kantonen und Gemeinden keine Grünflächenanteile vorschreiben. Zudem sind die Städte zum grössten Teil gebaut. Grosse städtebauliche Veränderungen sind kaum mehr möglich. Und wenn doch, dann wird wegen des Bevölkerungswachstums weiter verdichtet. Das heisst: Grünflächen sind bedroht.
Experten empfehlen deshalb, die Städte sollten für Flachdächer eine Pflicht zur Begrünung einführen. Denn ein bepflanztes Dach erhitzt sich gemäss Berechnungen der ETH Lausanne im Sommer nur auf 30 Grad – eines ohne Pflanzen hingegen auf fast 80 Grad. Laut Stephan Brenneisen von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften gibt es zwar immer mehr begrünte Dächer. Er kritisiert aber: «Es geht zu langsam. Wir sind kaum weiter als vor 30 Jahren.»
Viel mehr Flachdächer könnten begrünt werden
saldo fragte bei den sechs grössten Deutschschweizer Städten nach, wie viele Flachdächer begrünt sind.
Resultat: Das Potenzial ist noch lange nicht ausgeschöpft. Luzern und St. Gallen gaben an, sie hätten keine Daten. Basel und Bern schätzten vor einigen Jahren aufgrund von Luftbildern, dass jedes dritte Flachdach begrünt ist. In Winterthur ist es aktuell bloss jedes zehnte. Zürich führte letztmals 2013 Messungen durch. Damals waren immerhin 46 Prozent der Flachdächer begrünt. Das entspricht einer Fläche von 260 Fussballfeldern.
Viele grüne Flachdächer sind laut Brenneisen «mangelhaft ausgeführt», und es fänden «kaum Kontrollen» statt. In St. Gallen etwa müssen Flachdächer erst seit 2006 und erst ab einer Fläche von 100 Quadratmetern begrünt werden. Eine nachträgliche Begrünung älterer Gebäude ist nicht vorgesehen. Zum Vergleich: In Zürich und Luzern beträgt die Mindestgrösse 25 Quadratmeter. Basel, Bern und Winterthur geben keine Mindestgrössen vor. Die Basler Behörden verlangen «ausnahmlos» eine Begrünung, Luzern «in der Regel» und Zürich nur, «soweit dies technisch, betrieblich und wirtschaftlich tragbar ist».
Dazu kommt, dass je nach Menge der ausgebrachten Erde der hitzedämpfende Effekt schwankt. Brenneisen: «Die meisten Städte geben nicht vor, wie hoch die Erdschicht im Minimum sein muss.» Nur Basel verlangt mindestens 12 Zentimeter Erde. Sonst verdorren die Pflanzen rasch.
«Lieber Broschüren als griffige Massnahmen»
Hitzedämpfend wirken neben begrünten Dächern auch Bäume. Laut Klimaforschern der Uni Neuenburg reduziert ein Baum die Temperatur in seiner direkten Umgebung um fünf Grad. Deshalb ist es im Wald kühler als in der Stadt. Doch auch von einer Baumoffensive kann in den Städten keine Rede sein (siehe Grafik im PDF).
Stephan Brenneisen empfiehlt den Städten, an besonders heissen Tagen auf Plätze Bäume in Töpfen zu stellen. In Zürich liesse sich zum Beispiel der Sechseläutenplatz zu einem kleinen Wald umfunktionieren.
Diverse Städte versprechen Besserung. In Winterthur läuft das Projekt «Anpassung an den Klimawandel», in Zürich sollen nächstes Jahr im Rahmen des «Masterplans Stadtklima» Lösungsvorschläge ausgearbeitet werden, Basel und St. Gallen arbeiten an einem Massnahmenkatalog und Luzern will im kommenden Jahr seine Klimaanpassungsstrategie vorstellen. Brenneisen bleibt aber skeptisch, was den Tatendrang der Behörden angeht: «Die Erfahrung zeigt, dass man lieber Broschüren und Problemanalysen macht, als dass man griffige Massnahmen umsetzt.»