Die SRG hat zu viel, nicht zu wenig Geld
Anfang 2011 wird Roger de Weck neuer SRG-Generaldirektor. Er erbt ein jährliches Defizit von rund 50 Millionen Franken. saldo sagt, wie er die SRG sanieren und erst noch die Gebührenzahler entlasten kann.
Inhalt
saldo 11/2010
07.06.2010
Letzte Aktualisierung:
08.06.2010
Silvio Bertolami
Ende Jahr nimmt der SRG-Generaldirektor Armin Walpen seinen Hut. Er wird nach fast 14 Jahren im Amt einen Abschied in allen Ehren erhalten. Wäre er Generaldirektor in der Privatwirtschaft gewesen, hätte man ihn schon längst «in gegenseitigem Einvernehmen» vor die Tür gesetzt.
Denn unter ihm hat die SRG mehrheitlich Defizite erwirtschaftet. Seit 2005 hat es nur noch rote Zahlen gegeben. Im laufenden Jahr rechnet der staatliche Medienkonzern erneut mi...
Ende Jahr nimmt der SRG-Generaldirektor Armin Walpen seinen Hut. Er wird nach fast 14 Jahren im Amt einen Abschied in allen Ehren erhalten. Wäre er Generaldirektor in der Privatwirtschaft gewesen, hätte man ihn schon längst «in gegenseitigem Einvernehmen» vor die Tür gesetzt.
Denn unter ihm hat die SRG mehrheitlich Defizite erwirtschaftet. Seit 2005 hat es nur noch rote Zahlen gegeben. Im laufenden Jahr rechnet der staatliche Medienkonzern erneut mit einem Verlust – diesmal mit 75 Millionen Franken. Und in den kommenden vier Jahren drohe ein Gesamtdefizit von 216 Millionen, so die SRG.
Personalaufwand: Hat seit 2005 um 10 Prozent zugenommen
Wie diese bedenklichen Zahlen genau zustande kommen, bleibt im Dunkeln. Wie viel Geld einzelne Sender oder Programme erwirtschaften respektive kosten, wird unter Verschluss gehalten. Was macht ein normales Unternehmen, wenn sich derartige Löcher auftun?
Es gibt zunächst mal weniger aus. Nicht so die SRG. Wie wenn es die Defizite nicht gäbe, hat sie den Betriebsaufwand seit 2005 kontinuierlich gesteigert. Der grösste Posten: der Personalaufwand. Er nahm um rund 70 Millionen Franken oder 10 Prozent zu.
Das Lohnniveau ist teilweise noch höher als in der Bundesverwaltung: Der SRG-Generaldirektor wird mit rund 500 000 Franken Jahresgehalt plus grosszügigen Zusatzleistungen entlöhnt. Insgesamt bezieht er etwa 100 000 Franken mehr, als ein Bundesrat. Warum das so ist, leuchtet nicht ein.
Der SRG-Chef hat es leichter als jeder andere Schweizer Unternehmenschef. Mehr als 1,1 Milliarden Franken erhält die SRG jedes Jahr ohne jeden Aufwand geschenkt in Form von staatlich eingetriebenen Empfangsgebühren. Dazu kommen weitere rund 450 Millionen Franken – vorwiegend Werbe- und Sponsoring-Einnahmen, die der SRG dank der privilegierten Stellung als Ex-Monopolist und Marktführer in den Schoss fallen.
Massive Steigerung bei den täglichen Sendestunden
Traumhafte Bedingungen also für einen Geschäftsführer. Doch statt als Dank dafür mit dem Geld haushälterisch umzugehen, fährt die SRG eine aggressive Expansionsstrategie. Das zeigt ein zeitlicher Vergleich.
Die 18 Radioprogramme – von DRS 1 bis Radio Swiss Jazz – kommen heute landesweit auf 436 Sendestunden pro Tag. Das ist im Vergleich zu 1982 eine Zunahme um 220 Prozent. SF 1 und die sieben weiteren TV-Programme zählen heute 197 Sendestunden – ein Plus von fast 600 Prozent seit 1982.
Zwar geht ein Teil dieses Ausbaus auf das Konto von Wiederholungen – zum Beispiel von «Tagesschau», «10 vor 10» oder «Schweiz Aktuell» auf SF Info. Doch auch die teuren Eigenproduktionen hat die SRG laufend hochgefahren, Sendungen wie beispielsweise «Musicstar».
Glaubt man der SRG, muss sie expandieren, um ihren Auftrag zu erfüllen. Stichworte: Service public, Idée suisse, Dienst am Lande, Kampf gegen ausländische Privatsender, welche die schweizerische Identität gefährden.
Das ist jedoch Etikettenschwindel. Eine wissenschaftliche Analyse im Auftrag des Bundesamtes für Kommunikation kam kürzlich zum Schluss: Die Radio- und Fernsehprogramme der SRG schauen kaum über den Gartenzaun der jeweiligen Sprachregion hinaus. Die Deutschschweizer Sendungen befassen sich selten mit der Romandie und dem Tessin, und auch die West- und Südschweizer werden nur schlecht darüber ins Bild gesetzt, was die Menschen in den anderen Landesteilen beschäftigt.
Auftrag des Zusammenhalts der einzelnen Landesteile nicht erfüllt
Das Manko läuft auf eine Missachtung der SRG-Konzession hinaus. Sie definiert den Programmauftrag. Und der verlangt von der SRG zuvorderst, das Verständnis, den Zusammenhalt und den Austausch unter den Landesteilen und Sprachgemeinschaften zu fördern.
Die Schlussfolgerung ist klar: Niemand kann behaupten, dass die SRG ihre vornehmste Aufgabe heute besser erfüllt als vor 20 oder 30 Jahren, als sie noch deutlich weniger Geld zur Verfügung hatte. Vielleicht animiert die Programmanalyse den neuen Generaldirektor dazu, einmal gründlich über die Bücher zu gehen.
De facto ist die SRG ein Staatsunternehmen. Statt immer mehr Geld zu verlangen, könnte die SRG unter Roger de Weck sich fragen, was eigentlich ihr ureigenster Auftrag ist. Und ob man den nicht sogar mit weniger Geld erfüllen könnte.
Tatsächlich wäre eine Gebührensenkung um 10 Prozent ohne weiteres möglich. Radio und Fernsehen der deutschen Schweiz verursachen heute Betriebskosten von 584 Millionen Franken im Jahr. Damit sind sie fast 200 Millionen teurer als die Westschweizer Programme. Noch viel grösser ist der Unterschied zur italienischen Schweiz: nämlich gut 340 Millionen (siehe Tabelle im pdf-Artikel).
Bei den elektronischen Medien kostet ein Programm nicht mehr, wenn es mehr Zuhörer oder Zuschauer hat. Ob nun bei «Deal or No Deal» 5000 oder fünf Millionen vor dem Bildschirm sitzen – die Produktion kostet gleich viel.
Die Westschweiz und das Tessin beweisen, dass nicht 584 Millionen nötig sind, um populär zu sein. Ihre Programme behaupten sich auch mit viel weniger Geld im Kampf um Marktanteile. Beim Radio liegen ihre Marktanteile bei 60 bis 71 Prozent, beim Fernsehen bei rund 30 Prozent – somit im gleichen Rahmen wie die SRG in der deutschen Schweiz.
Dabei haben sie einen grossen Vorteil nicht, den die Deutschschweizer ausspielen können: die Mundart. Die fehlt den Romands, um sich besser gegen die Sender aus Frankreich durchzusetzen. Im Radio und Fernsehen der italienischen Schweiz kommt die Mundart zwar vor, aber eher selten.
Sparpotenzial bei Klatschsendungen, Sport und US-Serien
Und wenn die SRG da und dort Programme streichen und Marktanteile verlieren würde, ginge den Zuschauern und Zuhörern nichts verloren. Für Musik wie die von DRS 3 oder Virus braucht es die SRG nicht, ebenso wenig für Klatsch- und Tratsch-Sendungen wie etwa «Glanz und Gloria».
Das erledigen private Stationen mindestens gleich gut. Wer auf US-Serien – von «Gossip Girl» bis «Californication» – steht, kann sich diese bei den deutschen Privatsendern anschauen. Das Sportangebot muss auch nicht so umfassend sein wie heute.
Die Staatssender Deutschlands und Österreichs beschränken sich dabei auch. Nicht einsichtig ist auch, weshalb die angeblich finanziell notleidende SRG das grösste Internetangebot der Schweiz anbieten will.