Ende Januar titelte der Touring Club Schweiz (TCS) in einer Mitteilung an die Medien: «Zugeparkt: Parkraum in der Schweiz so knapp wie nirgends!» Diverse Zeitungen griffen die Meldung auf und schrieben, dass in der Schweiz pro 1000 Personenwagen nur 84 öffentliche Parkplätze zur Verfügung stehen – so wenig wie nirgendwo sonst in Europa. In Deutschland seien es mehr als doppelt so viele, in Schweden gar drei Mal so viele.
Die Schweiz eine Parkplatzwüste? Verantwortlich für die Berechnungen ist eine sogenannte Mobilitätsakademie, eine Tochtergesellschaft des TCS. saldo hat die Quellen und Berechnungen analysiert und kommt zu ganz anderen Schlüssen.
Schweiz: Anteil der Landbevölkerung ist grösser
Basis für die TCS-Studie waren die Zahlen der European Parking Association (Epa). Die Vereinigung hat in westeuropäischen Ländern die Zahl der öffentlichen Parkplätze in allen Städten mit über 20 000 Einwohnern zusammengetragen.
Demnach gibt es in der Schweiz 338 474 solcher Parkplätze. Diese Zahl hat die Mobilitätsakademie durch alle in der Schweiz immatrikulierten Personenwagen geteilt. Und dann das Ergebnis auf Anzahl Parkplätze pro 1000 Autos hochgerechnet.
Was die Mobilitätsakademie nicht bedacht hat: In der Schweiz lebt ein viel geringerer Prozentsatz der Bevölkerung in Städten mit über 20 000 Einwohnern als in anderen Ländern. Dieser Wert liegt laut der Epa bei 26,5 Prozent, in Schweden zum Beispiel jedoch bei 80 Prozent. Trotzdem hat die TCS-Tochter die Parkplatzzahl der Schweizer Städte durch sämtliche 4 Millionen Personenwagen des Landes dividiert. Das führt im Ländervergleich zu stark verzerrten Ergebnissen.
Klaus Zweibrücken, Professor für Verkehrsplanung an der Hochschule für Technik Rapperswil SG, bezeichnet die Berechnungsmethode der TCS-Tochter als «unzulässig» und «pseudowissenschaftlich».
Die Berechnungen müssten vielmehr aufgrund der tatsächlich in den einzelnen Städten vorhandenen Personenwagen und öffentlichen Parkplätze erfolgen. Diese Daten hat die Epa jedoch nicht erfasst.
Schweiz auf Platz sieben statt an letzter Stelle
saldo hat mit Hilfe der Stadtbevölkerungs- und Parkplatzzahlen der Parking Association eigene Berechnungen angestellt. Resultat: In Schweizer Städten mit über 20 000 Einwohnern kommen 161 öffentliche Parkplätze auf 1000 Einwohner. Damit bildet die Schweiz keineswegs das Schlusslicht bei der Parkplatzdichte: Von 22 Ländern liegt sie an siebter Stelle.
An der Spitze steht Zypern mit 206 Parkplätzen pro 1000 Einwohner, am Schluss Spanien mit 85 Parkplätzen. Das heisst: Entgegen den Aussagen des TCS gibt es in Schweizer Städten im europäischen Vergleich überdurchschnittlich viele öffentliche Parkplätze.
Manfred Josef Pauli von der Mobilitätsakademie sagt dazu, die absolute Parkplatzzahl sei nicht so entscheidend. Kernaussage der Studie sei, dass es in Schweizer Städten zu wenig Parkplätze gebe und die bestehenden effizienter genutzt werden sollten, beispielsweise mittels Parkplatzbörsen.
Forum: Braucht die Schweiz mehr öffentliche Parkplätze?
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