Pascale Wiedemann ist eine passionierte Schwimmerin. Mehrmals pro Woche steigt sie in den Zürichsee – auch im Winter. Wassertemperaturen unter zehn Grad schrecken sie nicht ab. Die 55-jährige Zürcherin bleibt nicht bloss kurz im eiskalten Wasser – sie schwimmt rund einen Kilometer weit. «Das Winterschwimmen braucht viel Überwindung», sagt sie, «doch danach fühle ich mich richtig gut.» In ihrer Jugend habe sie oft an entzündeten Nasennebenhöhlen gelitten, erzählt Wiedemann. Seit sie im Winter im Zürichsee schwimme, sei sie aber nie mehr erkältet.
Das Schwimmen im Winter ist beliebt. Manche steigen in organisierten Gruppen ins kalte Wasser. Zum Beispiel die Gruppe «Winterswimming Luzern» oder der «Gfrörli-Club» in Bern. Viele Winterschwimmer glauben, die Kälte stärke ihre Abwehrkräfte gegen Infektionen. Davon sind Fachleute nicht überzeugt. Kurzes und regelmässiges Winterschwimmen fördere zwar die Durchblutung, sagt der Zürcher Hausarzt Thomas Walser: «Man ist nachher wacher, fühlt sich vitaler und schläft besser.» Doch die Vorstellung, man könne so das Immunsystem stärken, sei falsch. Studien hätten keinen Nutzen für die Gesundheit gezeigt.
Diverse Studien zeigen keine gesundheitliche Wirkung
Der St. Galler Arzt und Ausdauersportler Beat Knechtle sichtete 2020 diverse Studien der vergangenen Jahre. Sein Fazit: Es gebe keine Beweise dafür, dass kaltes Wasser Krankheiten abwenden könne. Bluttests hätten gezeigt, dass Winterschwimmer nicht mehr weisse Blutkörperchen haben als andere Personen. Diese Blutkörperchen sind ein Teil des Immunsystems und wehren Krankheitserreger ab. Ein ähnliches Bild zeigte eine kleine Studie der Uni Portsmouth (GB) mit 44 Teilnehmern vor sechs Jahren. Sie zeigte zwar, dass Winterschwimmer weniger oft erkältet sind als ihre Lebenspartner. Allerdings waren andere Studienteilnehmer, die in geheizten Bädern schwammen, auch nicht öfter erkältet. Die Autoren kamen zum Schluss, dass Schwimmen im kalten Wasser schütze nicht vor Atemwegsinfektionen.
Knechtle warnt, Winterschwimmen könne sogar kontraproduktiv sein und das Immunsystem schwächen. Grund: Schwimmen im kalten Wasser ist für den Körper mit Stress verbunden, denn er muss sich vor Unterkühlung schützen. Beim Eintauchen steigt der Blutdruck, und die Atmung wird schneller. Eine Studie der Universität Genua (I) aus dem Jahr 2014 bestätigt das: Die Forscher fanden bei Winterschwimmern starke Schwankungen des Stresshormons Kortisol.
Der Sportwissenschafter Klaus Bös vom Karlsruher Institut für Technologie hält das Winterschwimmen für eine «Extremsituation, die nur für wenige Menschen in Frage kommt». Er warnt: «Für mich sind die Risiken klar grösser als die Vorteile.» Der Sportwissenschafter empfiehlt allen, die das Winterschwimmen ausprobieren möchten, sich vorher von einem Arzt untersuchen zu lassen, um die Gefahr von Zwischenfällen zu vermindern. Dazu gehören Unterkühlung, Herzrhythmusstörungen oder Lungenödeme.
Gefahr von tödlichen Kreislaufproblemen
Auch Arzt Beat Knechtle schreibt, für unerfahrene Schwimmer sei das kalte Wasser gefährlich. Immer wieder komme es zu Todesfällen, so etwa in den vergangenen Jahren bei Schwimmwettkämpfen im eiskalten Wasser in Russland (2018) und China (2019). Das bestätigte eine Übersichtsstudie der griechischen Universität Ioannina bereits vor 20 Jahren: Beim Baden im kalten Wasser besteht die Gefahr von tödlichen Kreislaufproblemen. Besonders gross sei das Risiko für Senioren.
So schützt man sich vor Erkältungen
- Bewegen Sie sich regelmässig an der frischen Luft.
- Studien zeigen, dass Ausdauertraining das Immunsystem stärkt. Besonders geeignet sind Sportarten wie zum Beispiel Joggen oder Walking.
- Bedecken Sie Mund und Nase beim Training mit einem Tuch, wenn die Temperaturen unter null Grad fallen. So vermeiden Sie, dass die kalte Luft die Atemwege reizt.
- Gehen Sie regelmässig in die Sauna. Das ist gut für den Kreislauf und schützt vor Schnupfen und Grippe.
- Schlafen Sie genügend. Studien belegen, dass Schlaf die Funktion des Immunsystems fördert.
- Waschen Sie regelmässig die Hände und meiden Sie grosse Menschenmengen.
- Vermeiden Sie chronischen Stress. Das Stresshormon Kortisol schwächt das Immunsystem.