Der Kläger erscheint vor dem Bezirksgericht in Pfäffikon mit seinem Anwalt. Der beklagte Nachbar, der den Drahtzaun errichtet hat, bleibt der Gerichtsverhandlung unentschuldigt fern. Anwesend ist nur der Miteigentümer des Grundstücks als zweiter Beklagter und dessen Anwalt.
Der Anwalt des Klägers begründet vor dem Einzelrichter, warum der Zaun weg müsse: Er diene keinem bestimmten Zweck, sondern sei eine reine Schikane. Dem Nachbarn passe es einfach nicht, dass sein Mandant dessen Grundstück überqueren müsse, um zu seinem Schopf zu gelangen. Dort lagert der ehemalige Bauer sein Holz. «Wir haben es hier mit einer Neidmauer zu tun», sagt er wörtlich. Der Nachbar habe das Befahren und Begehen des Grundstücks jahrelang geduldet. Zum Beweis zeigt er dem Einzelrichter Fotografien aus den 1980er Jahren. Darauf sieht man, wie der Kläger seine Rinder über das Nachbargrundstück treibt.
Der Anwalt des Grundbesitzers seinerseits betont, dass dem Kläger eine solche Nutzung nie zugesichert worden sei. Deshalb könnten die beiden Eigentümer frei über ihr Grundstück verfügen. Und wenn sie wollen, auch einen Zaun errichten.
Nach einer halben Stunde ordnet der Richter eine kurze Pause an. Danach erklärt er den Parteien, dass normalerweise jetzt das Beweisverfahren folgen würde. «Und das ist teuer.» Günstiger käme ein Vergleich, doch dafür brauche es auch die Zustimmung des zweiten Beklagten, der leider abwesend sei.
Vergleichsvorschlag abgelehnt – Gericht gibt dem Kläger recht
Doch der Richter hat einen Vorschlag: «Machen wir es so: Wir besprechen den Vergleich hier und jetzt. Das Resultat schicke ich dem zweiten Beklagten zu. Unterzeichnet er, ist der Vergleich gültig.»
Die Parteien willigen ein und sind sich innert fünf Minuten einig: Die Grundstückeigentümer verpflichten sich, innert zweier Monate den Zaun zu entfernen.
Nur: Der abwesende Miteigentümer verweigert die Unterschrift unter den Vergleich. Deshalb fällt der Richter ein halbes Jahr später das Urteil: Es verpflichtet die Beklagten, den Drahtzaun zu demontieren. Begründung: Der Kläger habe faktisch ein Fuss- und Fahrwegrecht ausgeübt und sei somit «Mitbesitzer». Und als solcher könne er sich gegen Störungen an seinem Besitz zur Wehr setzen.
Es sei klar, dass er für den Transport von Holz auf ein Auto oder einen Traktor angewiesen sei. Offensichtlich sei auch, dass der Transport zum Schuppen über das Grundstück der Beklagten erfolgen müsse. Zwei Zeuginnen hätten schon früher ausgesagt, dass die Bauersleute und die Kühe stets diesen Weg genommen hätten. «Im Übrigen mutet es seltsam an, dass der Beklagte lediglich die vordere Grenze eingezäunt hat und nicht das gesamte Grundstück.» Dieses Verhalten deute darauf hin, dass der Beklagte mit dem Zaun die Nachbarn am weiteren Befahren des Grundstücks habe hindern wollen. Und das gehe nicht.
Die Prozesskosten von 1800 Franken gehen zu Lasten der Beklagten. Zusätzlich müssen sie den Klägern eine Parteientschädigung für die Anwaltskosten in der Höhe von 1650 Franken zahlen. Sibilla Bondolfi
Prozessieren: Ein Vergleich kommt häufig deutlich günstiger
Der im Haupttext geschilderte Fall zeigt: Einigen sich Kläger und Beklagte vor Gericht nicht auf einen Vergleich, kanns teuer werden.
Grund: Der Richter muss dann in der Regel ein Beweisverfahren durchführen, bevor er ein Urteil fällen kann. Auch wenn dies für einmal nicht nötig sein sollte, ist ein Urteil für das Gericht mit viel mehr Aufwand verbunden als ein Vergleich. Das erhöht die Gerichtskosten.
Im konkreten Fall mussten die Beklagten die Verfahrensgebühren und dazu auch noch die Anwaltskosten der Kläger übernehmen. Unter dem Strich waren dies 3450 Franken – ein stolzer Batzen für einen Streit um einen Drahtzaun.
Wichtig: Bei Vergleichsverhandlungen deutet der Richter meistens an, wie er die Prozesschancen der Parteien einschätzt. Das hilft beim Entscheid, ob man auf einem Urteil bestehen soll oder nicht. Trotzdem gilt: Nur zustimmen, wenn man den Vorschlag als fair erachtet.