Das Schreiben der Alternativen Bank (ABS) an ihre «sehr geehrten» Kunden beginnt mit für die Bank guten Neuigkeiten: «2017 wurde uns knapp fünf Prozent mehr Geld anvertraut als im Vorjahr.» Das sei erfreulich. Die Schattenseite: Die Schweizerische Nationalbank verlange nach wie vor Negativzinsen von 0,75 Prozent. «Diese Situation veranlasst uns dazu, ab 1. Juni die Freigrenze zu senken, ab der wir den Negativzins der Nationalbank verrechnen.» Das bedeutet: Auf dem «Alltagskonto» werden den Sparern bis 50 000 Franken Guthaben 0,125 Prozent pro Jahr abgezogen, bei Beträgen über dieser Limite sogar 0,75 Prozent.
Börsenexperte: «Unrechtmässige Enteignung der Bevölkerung»
Die Nationalbank belastet die Guthaben der Geschäftsbanken seit Januar 2015 mit einem Strafzins von 0,75 Prozent. Jede Bank darf ihr Geld nur bis zu einem bestimmten Betrag gratis lagern. In der Regel verlangen die Banken – mit Ausnahme der ABS – von ihren privaten Kunden keinen Strafzins. Dennoch sind alle Sparer die Geprellten. Sie finanzieren die Strafzinsen unter anderem mit ihren Pensionskassenbeiträgen. Auch den AHV-Fonds bittet die Nationalbank indirekt zur Kasse, weil er sein Bargeld bei Geschäftsbanken hat.
Laut den Geschäftsberichten der Nationalbank zahlten Anleger, Sparer und Rentner seit Einführung des Negativzinses vor drei Jahren fast 5 Milliarden Franken an Strafzinsen. Im ersten Jahr flossen 1,2 Milliarden Franken zur Nationalbank. 2016 waren es 1,5 Milliarden, im vergangenen Jahr 2 Milliarden. Der Schweizer Ökonom und Börsenexperte Marc Faber spricht «von einer unrechtmässigen Enteignung der Bevölkerung». Und das, obwohl es der Nationalbank blendend geht. Im vergangenen Jahr betrug der Gewinn rekordhohe 54 Milliarden Franken (siehe Unten). Zwar meldete die Nationalbank gerade einen Verlust von 6,8 Milliarden Franken im ersten Quartal. Das kann sie leicht verkraften: Der Wert ihrer Ausschüttungsreserven betrug Ende 2017 67 Milliarden Franken.
Die Strafzins-Milliarden der Nationalbank sind für den Nidwaldner SVP-Nationalrat Peter Keller «Volksvermögen». Anfang März wollte er vom Bundesrat wissen, ob er bereit sei, «die realisierten Gewinne an die Schweizer Bevölkerung zurückzuführen» – beispielsweise über eine einmalige Einzahlung in die AHV. Die Antwort des Bundesrats steht noch aus.
UBS verschärft den Strafzins um eine weitere Gebühr
Es kommt noch dreister: Bekanntlich retteten im Jahr 2008 die Steuerzahler die Grossbank UBS vor dem Aus. Dieselbe Bank zieht jetzt mit einer zusätzlichen Gebühr den Pensionskassen noch mehr Geld aus der Tasche. Konkret verlangt sie nebst den 0,75 Prozent weitere 0,2 Prozent auf jeden Franken, den eine Vorsorgestiftung bei der Bank deponiert hat – auch auf Beträge unterhalb der Freigrenze.
saldo liegt das Schreiben des Chefs einer Pensionskasse vor. Die Kasse ist UBS-Kundin: «Für Banken ist es die reinste Goldgrube, was die Nationalbank vorgespurt hat – sozusagen Ostern und Weihnachten zusammen.» Seit es Negativzinsen gebe, sei bei den Treffen immer auch ein Mitarbeiter der UBS-Vermögensverwaltung dabei. Dieser schlage dann ein Finanzprodukt vor, bei dem die Gebühren niedriger sind als der Strafzins. Das heisst: Die Bank nutzt den Zins, um ihren Kunden neue Produkte schmackhaft zu machen.
Für den Geschäftsführer ist klar: «Man raubt den Sparfranken des Bürgers. Aus diesem Anlass können die Banken den Pensionskassen jetzt ihre überteuerten und intransparenten Produkte aufschwatzen. Dadurch erhöhen sich die Risiken für die Versicherten. Für die Zukunft des Vorsorgesystems finde ich das sehr problematisch.»
Sagenhafte Jahresgewinne
2016 erwirtschaftete die Nationalbank einen Gewinn von 24,5 Milliarden Franken. 2017 waren es sagenhafte 54 Milliarden Franken.
Der deutsche Wirtschaftsprofessor Theo Siegert besitzt 6,1 Prozent der Schweizerischen Nationalbank. Er ist der grösste von rund 2000 Einzelaktionären. Letztes Jahr erhielt er pro Aktie 15 Franken Dividende. Das machte insgesamt 91 050 Franken Zusatzeinkommen aus.
Das ist noch nicht alles: Vor zehn Jahren lag der Kurs einer Aktie der Nationalbank bei rund 1000 Franken.
Mitte April erreichte er rund 8500 Franken. Siegert besitzt 6070 Anteile. Kursgewinn in zehn Jahren: gut 45 Millionen Franken.
Grösster Aktionär der Nationalbank ist der Kanton Bern mit 6630 Aktien. Es folgen der Kanton Zürich mit 5200 Aktien, Waadt mit 3401 und der Kanton St. Gallen mit 3002 Aktien. Die Kantone und 22 Kantonalbanken halten zusammen 51 Prozent des Kapitals.
Vom Rekordgewinn von 54 Milliarden Franken erhalten der Bund und alle Kantone zusammen je 2 Milliarden Franken – neben den Dividenden. Der Geldsegen an die Kantone richtet sich nach der Wohnbevölkerung. Der Kanton Zürich erhielt letztes Jahr 235 Millionen Franken, der Kanton Luzern 64. Am Gewinn beteiligt werden auch die Einzelaktionäre. Die Dividenden lagen letztes Jahr bei total 1,5 Millionen Franken.
Die Nationalbank ist weltweit einer der grössten Investoren: Um den Franken zu schwächen, kauft sie immer mehr Anlagen in Fremdwährungen. So will die Bank die Exporte ankurbeln – dafür werden die Importe teurer. Die Nationalbank überschwemmt den Markt mit Franken. Im Gegenzug erhält sie Euro, wechselt einen Teil in Dollar und kauft wie wild Aktien. Sie hat mehr Aktien von Facebook als Gründer Mark Zuckerberg.
Es ist ungewöhnlich für eine Notenbank, dass sich auch Privatleute wie Theo Siegert an ihr beteiligen können. Wie in Griechenland und Belgien ist auch die Schweizer Nationalbank eine börsenkotierte Aktiengesellschaft. In Italien gehört die Notenbank 60 Privatbanken und Versicherungen. Die US-Zentralbank Fed gehört zwölf regionalen Feds. Diese wiederum befinden sich in privatem Besitz von Geschäftsbanken.