Bei der AHV dürfen die Renten der Ehepartner zusammen nicht mehr betragen als 150 Prozent der maximalen AHV-Einzelrente. Das sind monatlich 3510 Franken. Dafür kommt es nicht darauf an, ob beide Ehegatten erwerbstätig waren. Rentenplafonierung nennt sich das.
Anders bei Konkubinatspaaren: Sie erhalten je eine Einzelrente. Wenn beide gut verdienten und 44 Jahre Beitragsdauer aufweisen, können sie zusammen auf AHV-Renten von maximal 4680 Franken kommen. Kurz: Der unterschiedliche Zivilstand führt in diesem Beispiel zu einer Rentendifferenz von 1170 Franken. Einige Politiker sehen darin eine Benachteiligung von Ehepaaren und sprechen publikumswirksam von einer «Heiratsstrafe».
Bundesgericht: Plafonierung ist zulässig
Ein Rentner aus dem Kanton Freiburg sah das auch so und zog seinen Fall bis vor Bundesgericht. Der 75-Jährige erhielt seit 2003 eine AHV-Einzelrente von monatlich 2110 Franken. Seine Frau erreichte im August 2012 das Rentenalter. Deshalb erhielt auch sie ab September eine Rente. Gleichzeitig wurde die Rente des Manns auf 1958 Franken gekürzt – gestützt auf die 150-Prozent-Regel für Ehepaare.
Der Rentner wehrte sich vor Gericht gegen die Kürzung. Seine Begründung: Das Vorgehen der AHV verstosse gegen die Europäische Menschenrechtskonvention. Die Ungleichbehandlung von Ehepaaren sei nicht zu rechtfertigen. Dies auch deshalb, weil eine zivilstandsunabhängige Rentenberechnung bei der AHV sogar zu Einsparungen führen würde.
Das Bundesgericht lehnte seine Beschwerde mit Entscheid vom 6. Dezember des letzten Jahres ab. In der Begründung des Grundsatzentscheides setzten sich die Richter detailliert mit den unterschiedlichen Ansprüchen von Ehe- und Konkubinatspaaren auseinander.
Grundsätzlich hielt das Gericht fest: «Der Anspruch verheirateter Personen auf Gleichbehandlung mit Konkubinatspaaren – und umgekehrt – ist nicht absolut.» Zu unterschiedlich seien die beiden Formen des Zusammenlebens im Gesetz geregelt – etwa im Erbrecht, im Unterhaltsrecht und bei den Sozialversicherungen. Das Bundesgericht hält dazu fest, dass Verheiratete bei der AHV und IV mehr Leistungen erhalten als Konkubinatspaare und auch weniger Beiträge einzahlen müssen.
«Solidaritätsflüsse von unverheirateten zu verheirateten Paaren»
Bei Pensionskasse, Unfallversicherung und Militärversicherung seien Ehepaare zudem zusätzlich geschützt und gegenüber anderen Versicherten privilegiert. Wörtlich heisst es im Urteil: «In einer Gesamtbetrachtung der Sozialversicherungen finden sogar Solidaritätsflüsse von den unverheirateten zu den verheirateten Paaren statt.»
Zum Problem der Begrenzung der AHV-Rente von Ehepaaren auf maximal 150 Prozent einer Maximalrente stellt das Bundesgericht fest: «Eine Aufhebung der Plafonierung vermöchte ebenfalls keine Gleichbehandlung zu erreichen, sondern würde vielmehr zu neuen Ungleichbehandlungen und einer (weiteren) Bevorzugung der Ehepaare führen.»
Pikant: Die zwei Bundesrichterinnen und drei Bundesrichter der urteilenden Kammer betonen, dass es Aufgabe des Gesetzgebers wäre, die Sozialversicherungen zivilstandsunabhängig auszugestalten. Eine Neuregelung hätte laut den Richtern aber zur Folge, dass bestehende sozialversicherungsrechtliche Sonderregelungen, die Eheleute privilegieren, abzuschwächen oder aufzuheben wären.
«Bei AHV-Beiträgen werden die Ehepaare massiv begünstigt»
Ein zivilstandsunabhängiges System postuliert auch Thomas Geiser, Professor an der Universität St. Gallen. Bei der AHV müssten seiner Meinung nach Renten und Einzahlungen berücksichtigt werden. Von einer Heiratsstrafe könne heute keine Rede sein. Im Gegenteil: «Bei Verheirateten kommt es auf der Beitragsseite zu einer massiven Begünstigung», so Geiser. Damit spricht er die Beiträge von nichterwerbstätigen Ehefrauen an. Diese sind zwar beitragspflichtig. Doch gilt ihr AHV-Beitrag als bezahlt, wenn der erwerbstätige Ehepartner auf seinem Einkommen mindestens 960 Franken pro Jahr an die AHV entrichtet. Das entspricht einem Jahreseinkommen von 9322 Franken.
Gemäss Berechnungen von Yves Rossier, dem früheren Chef des Bundesamtes für Sozialversicherungen, entstehen den Ehepaaren zwar wegen der Rentenplafonierung Nachteile in der Höhe von 1,7 Milliarden Franken. Demgegenüber stünden aber Vorteile von rund 3 Milliarden. Diese setzen sich primär zusammen aus der Beitragsbefreiung des nichterwerbstätigen Ehepartners sowie dem Anspruch auf eine Witwenrente. Unter dem Strich resultiert laut Rossier in der AHV ein Heiratsbonus von über 1 Milliarde Franken.
Monika Bütler, Professorin am Institut für empirische Wirtschaftsforschung an der Universität St. Gallen, kommt unter Berücksichtigung weiterer Leistungen noch auf grössere Summen: «Mit der Witwenrente und Zusatzleistungen zur Witwenrente bietet die AHV den Ehepaaren eine kostenlose Versicherung, die pro Jahr mit mehr als 2,5 Milliarden Franken zu Buche schlägt.»
Die Ungleichheiten zwischen Ehe- und Konkubinatspaaren zeigen sich auch im Steuersystem. Das zeigt eine aktuelle Studie des Bundes. So zahlen bei einer Einkommensverteilung von 70 und 30 Prozent pro Partner verheiratete Paare bei tiefen Einkommen meist weniger Gemeindesteuern und bis zu einem gemeinsamen Einkommen von 114 290 Franken auch weniger Bundessteuern. Tragen beide Partner je 50 Prozent zum Einkommen bei, profitieren hingegen Konkubinatspaare in den Kantonen GL, NW und SH bei gemeinsamen Einkommen von 60 000 bis 180 000 Franken von tieferen Steuern, bei der Bundessteuer ab 90 000 Franken.
Soll niemand privilegiert oder diskriminiert werden, könnten Steuern und Sozialversicherungen einfach zivilstandsunabhängig ausgestaltet werden. Zuständig dafür wäre das Parlament. Doch es hat in dieser Sache bisher keine grossen Stricke zerrissen. Immerhin hat die Grünliberale Fraktion im letzten Dezember ein Postulat eingereicht, mit dem sie vom Bundesrat einen Bericht fordert. Er soll zeigen, wie im Sozialversicherungs- und Steuerrecht Ehepaare, Konkubinatspaare und eingetragene Partnerschaften untereinander gleichgestellt werden könnten.
Auf Beitragsdauer und Jahreseinkommen kommt es an
Zwei Faktoren bestimmen die Höhe der AHV-Renten: Die «anrechenbaren Beitragsjahre» und das «massgebende durchschnittliche Jahreseinkommen».
- Beitragsdauer: Eine Vollrente erhält, wer ab dem zwanzigsten Altersjahr bis zum ordentlichen Rentenalter jedes Jahr lückenlos AHV-Beiträge gezahlt hat.
Für Ehepaare gilt: Zahlt ein Partner pro Jahr mindestens 960 Franken an die AHV, muss der nichterwerbstätige Ehegatte keine AHV-Beiträge zahlen.
Wurden die AHV-Beiträge nicht ohne Unterbruch eingezahlt und fehlen ganze Beitragsjahre, richtet die AHV nur eine Teilrente aus: Ein fehlendes Beitragsjahr führt in der Regel zu einer Rentenkürzung um mindestens 2,3 Prozent.
- Jahreseinkommen: Die Höhe der Rente hängt jedoch nicht nur davon ab, wie viele Beitragsjahre jemand vorweisen kann. Sie wird ebenso von der Höhe des massgebenden durchschnittlichen Jahreseinkommens beeinflusst – inklusive Erziehungs- und Betreuungsgutschriften.
Erziehungsgutschriften: Das sind Zuschläge zum Erwerbseinkommen, die bei der Rentenberechnung berücksichtigt werden. Anspruch auf Erziehungsgutschriften gibts für jedes Jahr, in dem Rentenberechtigte für Kinder unter 16 Jahren zu sorgen hatten. Bei Verheirateten wird die Gutschrift während der Ehejahre je zur Hälfte auf die Ehepartner aufgeteilt.
- Betreuungsgutschriften: Wer pflegebedürftige Verwandte betreut, hat Anspruch auf Betreuungsgutschriften. Im Gegensatz zu den Erziehungsgutschriften müssen sie jährlich bei der zuständigen kantonalen Ausgleichskasse geltend gemacht werden.