Zuerst juckte und brannte die Haut beim Wasserlösen. Die 70-jährige M. P. aus Basel glaubte, sie habe wunde Stellen. Das war vor zwei Jahren. «In jenem Sommer wurde jeder Gang zur Toilette zur Tortur», erzählt sie. Die Frauenärztin sagte ihr, sie habe einfach trockene Haut. Auch ihre Hausärztin und eine Hautärztin wussten nicht, was zu tun ist. «Ich gab auf und dachte, ich müsste mit den Schmerzen leben.»
Dann las M. P. in einer Zeitschrift über Lichen sclerosus. Das ist eine nicht ansteckende Autoimmunkrankheit, die sich vorwiegend an den Geschlechtsteilen schubweise bemerkbar macht. Die Haut entzündet sich, mit der Zeit schrumpfen und verkleben die Schamlippen und die Klitoris. Scheiden- und Harnröhrenöffnung verengen sich. Am häufigsten erkranken Frauen nach den Wechseljahren an Lichen sclerosus. Es können aber auch junge Frauen, Männer und Kinder betroffen sein. Die genaue Ursache ist unklar.
Eine Frauenärztin bestätigte schliesslich den Verdacht von M. P. Dann im Juli der Schock: An der Schamlippe hatte sich ein Tumor gebildet. Die Ärzte mussten ihn entfernen. M. P. hatte Glück: Der Krebs hatte sich noch nicht ausgebreitet.
Bis zur Diagnose vergehen im Durchschnitt fünf Jahre
Bettina Fischer von der Patientenorganisation Lichen sclerosus sagt: «Etliche Ärzte kennen sich nur ungenügend oder gar nicht aus.» Eine Untersuchung der Hautärztin Gudula Kirtschig aus Frauenfeld TG zeigt, dass von den ersten Beschwerden bis zur Diagnose durchschnittlich fünf Jahre vergehen. Gesundheitstipp-Arzt Thomas Walser sagt: «Viele Ärzte verwechseln zu Beginn die Krankheit mit einem Ekzem.» Doch der Unterschied sei eigentlich klar, meint Frauenarzt Andreas Günthert aus Luzern: «Ekzeme bilden sich meist auf den grossen Schamlippen, Lichen sclerosus sieht man hingegen weiter innen.» Für Walser liegt die Ursache in der Ausbildung von Medizinern: «Nur wenige Hausärzte mussten als Assistenzärzte Hautkrankheiten behandeln.»
Auch Hautärzte haben mit der Diagnose Lichen sclerosus Schwierigkeiten. Hautärztin Bettina Schlagenhauff aus Küssnacht am Rigi SZ sagt: «Die Symptome können sehr ähnlich sein wie bei einer Pilzinfektion.» Doch eine Pilzinfektion kann der Arzt durch einen Hautabstrich ausschliessen.
Auch Frauenarzt Günthert stellt seinen Kollegen ein schlechtes Zeugnis aus: «Frauenärzte sind in Bezug auf die äusseren Geschlechtsteile kaum ausgebildet.»
Die Geschlechtsteile können komplett verkümmern
Lichen sclerosus kann die Geschlechtsteile komplett verkümmern lassen. Deshalb ist eine frühe Diagnose wichtig. So kann man weitere Schübe mit Medikamenten verhindern oder hinauszögern. Heilbar ist die Krankheit nicht. Fischer: «Den meisten Betroffenen hilft am besten, wenn sie die Stellen drei Monate lang täglich mit starken Kortisonsalben behandeln.»
Einfacher feststellbar ist die Krankheit bei Männern. Laut Urologe Felix Trinkler aus Zollikon ZH verengt sich oft die Vorhaut. «Die meisten Betroffenen haben auch bei einer Erektion Schmerzen», sagt Trinkler. Als Therapie dient eine Beschneidung. Schwieriger ist es, wenn die Harnröhre betroffen ist: «Manche Männer muss man mehrfach operieren, um den Ausgang der Harnröhre wieder zu erweitern.»
Die Schweizerische Gesellschaft für Dermatologie schreibt, bei einem Drittel der Patientinnen bestünden keine Symptome. Deshalb werde die Krankheit nicht oder zu spät entdeckt.
Das können Sie bei Juckreiz im Intimbereich tun
- Verwenden Sie keine feuchten Toilettentücher und kein Recycling-WC-Papier.
- Waschen Sie den Intimbereich nur mit Wasser.
- Tragen Sie Unterhosen aus Baumwolle oder Seide.
- Wenn Sie wiederholt Diagnosen wie Pilzinfektionen und Blasenentzündungen bekommen und beim Sex der Scheideneingang einreisst, sprechen Sie Ihren Arzt auf Lichen sclerosus an.
- Wenn die Beschwerden länger andauern: Holen Sie eine Zweitmeinung ein.