Patienten mit Diabetes haben ein erhöhtes Risiko für viele Krankheiten: Hirnschlag, Herzinfarkt, Durchblutungsstörungen, Nerven-, Nieren- oder Augenschäden.
Nun verdichten sich die Hinweise, dass sich Diabetes auch auf Alzheimer und Demenz negativ auswirkt. Der Zürcher Stadtarzt und Geriater Sacha Beck sagt: «Zahlreiche Studien zeigen einen Zusammenhang zwischen Diabetes und dem Risiko für die Entwicklung einer Demenz.»
Der Grund für Diabetes vom Typ 2 liegt oft im Übergewicht und im hohen Konsum von Süssigkeiten und fetten Speisen. Der Körper wird dabei resistent gegen das eigene Insulin, das dem Körper das Signal gibt, den Zucker zu verarbeiten. Insulin spielt auch bei Denkarbeiten im Gehirn eine entscheidende Rolle. Reagieren die Hirnzellen immer weniger auf Insulin, nimmt die Leistungsfähigkeit des Gehirns ab. Dies konnten US-amerikanische Forscher bereits 2005 aufzeigen. Sie wiesen nach, dass entscheidende Denkregionen im Gehirn von Alzheimer-Patienten nicht mehr auf das Insulin reagierten.
Abbau des Gehirns beginnt, lange bevor sich Symptome zeigen
Vor wenigen Wochen zeigte eine Forschergruppe um Ewan McNay von der Universität Albany in New York an Ratten, dass der aus dem Ruder gelaufene Stoffwechsel bei Diabetes offenbar auch die Gehirnzellen stört. Ratten mit Diabetes konnten sich antrainierte Verhaltensweisen schlechter merken als die gesunden Tiere.
Diabetes kann auch die Blutgefässe im Gehirn schädigen. Sacha Beck: «Diabetiker haben oft Durchblutungsstörungen, die auch das Gehirn betreffen.»
Für viele Forscher ist demnach klar: Wer das Risiko für Demenz und Alzheimer senken möchte, sollte versuchen, Übergewicht und Diabetes zu verhindern. Und das rechtzeitig. Denn neue Forschungsergebnisse zeigen, dass der Abbau des Gehirns durch die Alzheimer-Krankheit bereits 20 bis 30 Jahre vor den ersten Symptomen beginnt.
Der Zürcher Präventivmediziner David Fäh empfiehlt eine ausgewogene, mediterrane Ernährung – mit viel Obst und Gemüse, Fisch und Vollkornprodukten, aber wenig rotem Fleisch. Fäh: «Diese Ernährung schützt nicht nur vor Diabetes, sondern vor allen Risikofaktoren für Demenz.»
Körperliche Aktivität verbessert die Durchblutung
Auch regelmässige Bewegung ist wichtig. Sie verbessert die Durchblutung des Gehirns, senkt den Blutdruck und fördert die Gehirntätigkeit. Der Alzheimer-Spezialist Ansgar Felbecker vom Kantonsspital St. Gallen: «Es reichen schon zwei mal die Woche etwa eine Stunde Bewegung.»
Menschen mit Risikofaktoren für Diabetes sollten einmal im Jahr ihren Blutzuckerspiegel beim Arzt kontrollieren lassen. Dazu zählen Personen ab 45 Jahren mit erhöhtem Blutdruck, schlechten Blutfettwerten, Übergewicht oder mit Fällen von Diabetes in der Familie. Bei Schwangeren muss ein Diabetes unbedingt erkannt werden. Denn bei ihnen steigt dadurch das Risiko für Behinderungen und Fehlgeburten. Und häufig entwickelt sich aus dem Schwangerschaftsdiabetes nach der Geburt ein richtiger Diabetes.
Zeigt die Routinekontrolle durch den Arzt noch keinen Diabetes, aber einen erhöhten Blutzuckerspiegel, lässt sich dieser häufig noch in den Griff bekommen. Dazu muss man jedoch den Lebensstil ändern. Giatgen Spinas, Professor und Diabetesarzt am Unispital Zürich: «Ein Umstellen der Ernährung, gegebenenfalls Gewichtsreduk-tion und regelmässige körperliche Aktivität sind die ersten Schritte.» Funktioniert das nicht, kann man mit erprobten Medikamenten nachhelfen: Metformin rette immerhin etwa jeden Dritten vor einem richtigen Diabetes, so Spinas.
Ist bereits eine Diabeteserkrankung vorhanden, kann man dennoch etwas gegen die Gefahren einer Demenz tun. Albert Wettstein vom Zentrum für Gerontologie der Uni Zürich: «Wichtig ist ein optimales und frühzeitiges Behandeln des Diabetes.» Dadurch liessen sich die häufig auftretende Schädigung der kleinsten Arterien und damit Durchblutungsstörungen im Gehirn vermeiden. Und die Gehirnzellen würden wieder sensibler auf das Insulin reagieren. Diabetiker sollten alles tun, um den Blutzucker unter Kontrolle zu halten.
Gehirn: Auch die grauen Zellen lassen sich trainieren
Übergewicht und Diabetes sind aber nur zwei mögliche Ursachen für Demenz. Hoher Blutdruck oder schlechte Blutfette sind ebenfalls im Auge zu behalten. Demenzforscher Simon Forstmeier vom Psychologischen Institut der Uni Zürich: «Das Vorliegen eines oder mehrerer dieser Risikofaktoren erhöht das Demenzrisiko.»
Besonders effektiv scheint das Training des Gehirns zu sein. Wer soziale Kontakte pflegt, öfters ausgeht, die Zeitung liest, Sport treibt, ein Instrument spielt und sich neuen Aufgaben annimmt, erweitert die Kapazität des Gehirns. Dadurch mache sich eine Demenz erst später oder weniger bemerkbar.
Vorbeugen: Das können Sie tun
- Ernähren Sie sich ausgewogen mit viel Obst, Gemüse, Nüssen und Vollkornprodukten.
- Ersetzen Sie Fleisch durch Fisch.
- Bewegen Sie sich 2 bis 3 Mal pro Woche 30 Minuten, sodass Sie ins Schwitzen kommen.
- Gehen Sie ab und zu aus, treffen Sie sich mit anderen Leuten.
- Lesen Sie viel, lösen Sie Rätsel.
- Spielen Sie ein Instrument oder machen Sie Spiele, motivieren Sie sich für neue Aufgaben.
- Gehen Sie regelmässig zum Arzt und lassen Sie Blutzucker, Blutdruck und Blutfette kontrollieren. Das ist vor allem für Patienten mit Diabetes wichtig.
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