Ein Lacoste-Shirt, eine Handtasche von Louis Vuitton oder eine Rolex-Armbanduhr: Wer mit Markenartikeln den Zoll passiert, riskiert, dass die Zöllner die Ware beschlagnahmen. Das dürfen sie seit dem Jahr 2008, wenn sie annehmen, es könnte sich um einen gefälschten Markenartikel handeln.
Voraussetzung für die Beschlagnahmung wäre eigentlich, dass der Inhaber der Design- und Markenrechte für die Schweiz beim Zoll einen entsprechenden Antrag hinterlegt. Laut Zollverwaltung liegen zurzeit 62 Anträge vor. Beamte werden aber selbst dann aktiv, wenn kein Antrag eines Unternehmens vorliegt.
Der Eifer der Zöllner schlägt sich in der Statistik nieder: Im letzten Jahr nahmen sie 2377 Einreisenden Waren ab. 2009 waren es erst 780 Fälle. Hinzu kommen die Beschlagnahmungen von Imitaten, die per Paket eingeführt werden. So wurden letztes Jahr insgesamt in 5998 Fällen Produkte vom Zoll beschlagnahmt.
Zöllner verängstigen Leute mit angeblich teuren Klagen
Viele Reisende kennen die Rechtslage nicht und lassen sich von Zollbeamten einschüchtern. Die Zöllner erklären nämlich den Leuten, sie müssten mit kostspieligen Klagen von Markeninhabern rechnen. Das liesse sich nur vermeiden, wenn man die verdächtige Ware durch den Zoll vernichten lasse. Attila Lardori von der Zollverwaltung weiss: «Erfahrungsgemäss verzichten die meisten Privatpersonen auf die gefälschte Ware.» Zahlen dazu gebe es nicht.
Was passiert, wenn sich jemand weigert, auf die mitgebrachte Ware zu verzichten? Dann darf der Zoll sie für kurze Zeit zurückhalten und muss sie wieder herausgeben. Das gilt nur dann nicht, wenn der Markeninhaber innert zehn Tagen einen Zivilprozess gegen den Eigentümer anstrengt. In diesem Verfahren müsste er den Nachweis erbringen, dass die Ware gefälscht ist.
Ein Gerichtsverfahren ist für die Markeninhaber aufwendig und steht in keinem Verhältnis zum allfällig entstandenen Schaden. Kaum erstaunlich deshalb: Jürg Herren vom Institut für geistiges Eigentum kennt keinen einzigen Fall, bei dem ein Markeninhaber gegen eine Privatperson gerichtlich vorgegangen ist.
saldo fragte bei Rolex, Lacoste und Louis Vuitton nach, was sie gegen Reisende mit verdächtigen Waren unternehmen, wenn diese die Verzichtserklärung nicht unterzeichnen. Keine der Firmen antwortete.
In Deutschland oder Österreich sind Einfuhr und Besitz von Markenimitationen erlaubt, solange die Waren nicht über 430 Euro gekostet haben und kein Handel mit Plagiaten betrieben wird. Es gibt auch kein EU-Gesetz, das den Import von Fälschungen zum Privatgebrauch als Verletzung der Markenschutzrechte ansehen würde, so EU-Zollsprecher Patrick McCullough.
Weshalb ist das in der Schweiz anders? Laut Jürg Herren vom Institut für geistiges Eigentum hat die Markenindustrie massiv lobbyiert. Resultat: Bundesrat und Parlament haben das Gesetz verschärft, um zum Beispiel gegen bekannte Uhrenfälscher-Länder wie China vorgehen zu können.
Beschlagnahmung am Zoll: So verhalten Sie sich richtig
Seit dem 1. Juli 2008 ist in der Schweiz der Import von Imitaten von Markenartikeln verboten. Wer am Zoll kontrolliert wird, sollte sich jedoch nicht einschüchtern lassen:
Unterzeichnen Sie auf keinen Fall eine «Verzichtserklärung», wenn ein Zollbeamter bei der Einreise behauptet, eine im -Ausland gekaufte Ware sei möglicherweise ein Imitat.
Beschlagnahmt der Zoll die Ware, haben Sie Anspruch auf Rückgabe nach zehn Tagen, falls niemand gegen Sie eine Zivilklage eingeleitet hat. Der Zoll muss Ihnen dann die Ware kostenlos zuschicken.
Das Gleiche gilt für ein vom Zoll beschlagnahmtes Paket, das mit der Post versandt wurde. Auch hier haben Sie Anspruch auf Herausgabe der Sendung, wenn der Design- oder Markeninhaber nicht innert zehn Tagen klagt.
Lassen Sie sich nicht durch Briefe von Anwälten einschüchtern, die Forderungen stellen, weil Sie angeblich markengeschützte Ware importiert haben. Solche Forderungen sind in der Regel rechtlich nicht haltbar und gehören in den Papierkorb.