Auf dem Autosalon in Genf schaut man in ratlose Gesichter, wenn man sich über das automatische Notrufsystem eCall (Emergency Call) in Autos erkundigen will. Und dies, obwohl das Thema bald Millionen Autofahrer direkt betrifft. Nur am Stand von Volkswagen weiss der Mitarbeiter Bescheid, wie eCall funktioniert und was andere elektronische Zusatzfunktionen möglich machen. VW kann damit beispielsweise herausfinden, wie viele Personen im Auto sitzen, wann ein CD-Player benutzt wurde und wohin jemand gefahren ist.
In der EU müssen ab dem 1. April alle Neuwagen mit dem automatischen Auto-Notrufsystem eCall ausgerüstet werden. Die Schweiz übernimmt die Regelung. Zweck von eCall: Rettungskräfte sollen bei einem Unfall schneller zur Stelle sein. Das Notrufsystem besteht aus Sensoren, einem Mobilfunk- und einem GPS-Gerät, mit dem sich jederzeit der Standort des Autos ermitteln lässt. Neuwagen mit eCall-Einrichtung sind ständig mit dem Netz verbunden. Ein Notruf wird ausgelöst, wenn die Sensoren einen heftigen Aufprall registrieren oder der Airbag aktiviert wird. Dann sendet eCall per Mobilfunkverbindung einen automatischen Notruf. Das System stellt eine Sprachverbindung zur Rettungsleitstelle her und übermittelt den Zeitpunkt des Unfalls, die Position und die Fahrtrichtung des Autos sowie die Anzahl der Passagiere.
Eine einheitliche Alarmzentrale für Unfälle gibt es in der Schweiz noch nicht. Die Hersteller der Autos entscheiden, was bei einem Unfallalarm passiert. Mercedes und Volkswagen betreiben eine eigene Notrufzentrale, bei anderen Autoherstellern wird die Notrufnummer 112 kontaktiert.
Hersteller weiss, wie und wohin der Fahrer fährt
Viele Autos verfügen schon heute über eingebaute Mobilfunksender und -empfänger. Die Autobauer machen sie den Kunden seit einigen Jahren mit elektronischen Zusatzfunktionen beliebt – etwa mit der Steuerung der Musik im Wagen durch das eigene Handy. So lassen sich die Autohersteller schon länger Daten übermitteln. Etwa über die Zahl der Passagiere im Auto, die Fahrweise oder über die gefahrenen Strecken. Mit eCall öffnet der Gesetzgeber der Autoindustrie nun ein zusätzliches Tor, um Daten abzusaugen.
Volker Lüdemann ist Rechtsprofessor und Leiter des Niedersächsischen Datenschutzzentrums. Er kommt aus der Automobilindustrie. Für ihn ist klar: eCall wurde von der Autoindustrie auch deshalb eingeführt, um einfacher an die Daten der Fahrer zu gelangen. «Parallel zum eCall können ohne Wissen der Lenker zusätzliche Funktionen in das Auto installiert werden, die unbeschränkt und unkontrolliert Daten an die Hersteller schicken.» Seiner Erfahrung nach sei dies immer der Fall.
Welche Daten an die Hersteller gesendet und wie diese verwendet werden, weiss ausser den Autofirmen niemand. Weder der eidgenössische Datenschutzbeauftragte noch das Bundesamt für Strassen. Letzteres sagt nur, die Hersteller seien verpflichtet, «den Benutzern klar zu kommunizieren, welche Daten übermittelt werden».