UBS und Credit Suisse machen im Wochentakt unvorteilhaft von sich reden: Immer neue Strafzahlungen in den USA, Untersuchungen wegen Absprachen im Edelmetallhandel, Hausdurchsuchungen in Deutschland. Währenddessen dominiert die Genossenschaftsbank Raiffeisen die nationale Medienagenda mit Positivberichterstattung.
Zuerst wird der Abgang von Raiffeisen-Zampano Pierin Vincenz zelebriert, der die Bank angeblich aus ihrem Dornröschenschlaf geweckt hat. Dann betritt sein Nachfolger Patrik Gisel mit Pomp die Bühne.
16 Jahre lang stand Vincenz an der Spitze von Raiffeisen. In dieser Zeit sah er bei der UBS fünf Konzernchefs kommen und gehen. Entsprechend ehrfürchtig titeln die Journalisten. Im «St. Galler Tagblatt» und der «Ostschweiz am Sonntag» werden Vincenz’ 16 Jahre zur «Ära». In der «Aargauer Zeitung» «dankt König Vincenz ab».
Der Monarch gibt da Interviews und erklärt dort, warum sein Abgang trotz vieler Baustellen keineswegs eine Flucht sei. Er lässt sich im «Blick» zwischen Zügelkartons ablichten und posiert in der «Schweizer Illustrierten» auf seiner Jacht auf dem Luganersee. Die gemessen am Klumpenrisiko im Hypothekarmarkt dünne Eigenkapitaldecke der Bank ist in den Medien hingegen kein Thema. Ebenso wenig wie die Notenstein-Tochter, die im Jahr vier nach der überstürzten Übernahme auf keinen grünen Zweig kommt. Ihr Gewinnbeitrag liegt noch immer weit unter der Zielsetzung, 10 Prozent zum Gruppengewinn beizutragen.
Triathlet und Porsche-Fahrer
Den eigentlichen Coup landen die Marketing-Leute von Raiffeisen aber mit dem nahtlosen Übergang von der Vincenz zur Gisel-Show. Patrik Gisel, der Neue an der Spitze der Genossenschaftsbank, muss erst noch zum Raiffeisen-Maskottchen geformt werden. Dazu taugen weder sein Doktortitel noch seine UBS-Vergangenheit, umso mehr aber sein Sportlernaturell. Ob er mit Credit-Suisse-Chef und Beinahe-Nachbar Tidjane Thiam an der Zürcher Goldküste joggen gehe, fragt der «Blick». «Joggt der überhaupt?», fragt Gisel amüsiert zurück.
Gisel joggt nicht, er ist ein Triathlet. Spitzensport. Etwas für harte Männer. Er liebt Tempo: Die Leser sehen ihn als Triathleten auf dem Rennvelo. Als Porsche-GT3-RS-Fahrer auf dem Nürburgring. Und als Aerostar-Piloten auf Geschäftsflügen.
Und nebenbei führt Gisel jetzt also eine Bank, sitzt in neun Verwaltungsräten und ist Lehrbeauftragter an der Uni Zürich. Gisel, der Tausendsassa: Strahlend mit Angelrute in der Rechten, Prachtfisch in der Linken, Farbfoto in der «Bilanz».
Die Berichterstatter fressen den PR-Leuten von Raiffeisen die sorgsam zubereiteten Häppchen aus der Hand. Von einer «Kämpfernatur» weiss die «Bilanz» zu berichten. Als «braungebrannt und durchtrainiert» kommt er im «Blick» daher. Als «passionierter Hobbysportler» im Wirtschaftsmagazin «Trend» des Schweizer Radios. Kaum ein Medium im Land, das nicht den Triathleten bemüht. Kaum ein Artikel, in dem Gisels Porsche unerwähnt bleibt. «10 vor 10» lässt ihn vor einer Glasvitrine mit Porsche- und Aerostar-Modellen schwadronieren. Derweil wäre es vielleicht relevanter, Gisel über die Casino-Anlageprodukte zu befragen, die Leonteq vertreibt – das Derivathaus, an dem Raiffeisen über die Notenstein-Tochter mit mehr als 20 Prozent beteiligt ist. Oder über die steten Gebührenerhöhungen für die Kunden. Oder über mickrige Zinsgutschriften für Sparer. Doch das interessiert die Journalisten nicht. Es ist Showtime. König Pierin dankt ab. Prinz Patrik besteigt den Thron.
Erbfolge am Hofe Raiffeisen
Apropos Raiffeisen-Monarchie: Neben der Triathlon- und Porsche-Berichterstattung ist die Ernennung dreier neuer Mitglieder in die erweiterte Geschäftsleitung – unter ihnen Rechtschefin Nadja Ceregato – untergegangen. Das «St. Galler Tagblatt» erwähnt den Namen zwar, unterlässt es aber zu erwähnen, dass Ceregato Vincenz’ Ehefrau ist.
Diese Tatsache zu erfahren, bleibt den Lesern der NZZ vorbehalten. Ceregato sei «just am letzten Arbeitstag ihres Ehegatten zu Höherem berufen» worden. Und weiter: «Dieses Timing, das keinesfalls dem Zufall geschuldet ist, wird möglicherweise kritische Geister an die Usanzen in Erbmonarchien erinnern.» Solches Denken sei aber unglücklich, gibt die NZZ Entwarnung: «Denn an den beruflichen Qualifikationen der Juristin zweifelt niemand.» Mag sein. Woher das die NZZ weiss, bleibt allerdings ihr Geheimnis.
In der sogenannten Baumhausaffäre, in der über die Winterthurer Raiffeisen-Filiale Zahlungen beteiligter Bauherren auf private Konten des Generalunternehmers flossen, fiel Ceregato durch spezielle Qualifikationen auf. Zunächst verneinte sie eine Mitverantwortung von Raiffeisen. Dann holte sie Rechtsbeistand ausgerechnet bei jener Zürcher Rechtskanzlei, in der ihr Bruder Partner ist.
Fazit: Raiffeisens PR-Abteilung macht einen herausragenden Job. Vincenz’ Verdienste um die Bank sind augenfällig. Gisel ist dem Vernehmen nach ein erprobter Triathlet. Und selbst Ceregato macht als Juristin ihren Job vermutlich besser als die meisten Journalisten im Land.