Bundesrat Albert Rösti (SVP) macht sich Sorgen um die Medienkompetenz des Nachwuchses. Letzte Woche weihte er einen Schulzug der SBB ein. Dieser soll den Jugendlichen auf spielerische Art helfen, «Fake News und Fakten zu unterscheiden». Die Schülerinnen und Schüler sollen gemäss dem Medienminister sensibilisiert werden, die Social Media «kritisch zu verfolgen». Das Gelernte könnten sie gut am Beispiel des Abstimmungsbüchleins des Bundes anwenden.

Es wird in diesen Tagen an 5,6 Millionen Stimmberechtigte verschickt und enthält «Erläuterungen des Bundesrates» zu den Abstimmungsvorlagen. Zur Änderung des Pensionskassengesetzes enthält es je zwei Seiten Argumente des Bundesrats und des Referendumskomitees sowie sechs Seiten «Erläuterungen» der Regierung. Was als neutraler Informationsteil daherkommt, enthält diverse faktenwidrige Behauptungen:

«Pensionskassen stehen unter Druck», schreibt der Bundesrat. «Erstens erzielen die Pensionskassen auf den angelegten Altersguthaben weniger Erträge, als für die Finanzierung der Renten nötig wäre. Zweitens steigt die Lebenserwartung, und die Renten müssen deshalb länger ausbezahlt werden.»

Richtig ist: Die Pensionskassen erzielten von 2012 bis 2021 mit dem Geld der Versicherten im Durchschnitt eine Nettorendite von 5,4 Prozent. Das zeigen Studien von Swisscanto, einer Tochtergesellschaft der Zürcher Kantonalbank. Die Altersguthaben der Erwerbstätigen verzinsten sie aber nur mit durchschnittlich 2,4 Prozent. Entsprechend flossen riesige Summen in die Reserven der Kassen. Diese betrugen Ende letzten Jahres 156 Milliarden Franken – sie waren damit mehr als dreimal so hoch wie die Reserven der AHV.

Urs Baumann, Chef der Zürcher Kantonalbank, hält im Editorial zur jüngsten Swisscanto-Studie fest: «Die Pensionskassen präsentieren sich kurz vor der Abstimmung zur BVG-Reform in Topform.» Fakt ist auch: Die Pensionskassen kalkulieren die Renten mit Zinserträgen von unter 2 Prozent, erwirtschaften aber mit dem Geld der Rentner über 5 Prozent. Dazu kommt: Die Lebenserwartung der Rentner steigt nicht stetig. Laut Bundesamt für Statistik beträgt sie im Alter von 65 Jahren bei den Männern 19,8 und bei den Frauen 22,5 Jahre.

Sie ist damit etwa gleich hoch wie 2016. Schon vor sechs Jahren zeigte der «K-Tipp» auf: Die Zahlen der AHV zur Lebensdauer der Rentner lagen seit 1991 stets um ein bis zwei Jahre tiefer als die Zahlen des Bundes («K-Tipp» 15/2018).

«Die Reform betrifft in erster Linie Pensionskassen, die nur die gesetzlich vorgeschriebenen Mindestleistungen anbieten oder nur wenig mehr», schreibt der Bundesrat. Und: «Die meisten Arbeitnehmer haben eine berufliche Vorsorge, die so deutlich über die gesetzlichen Mindestleistungen hinausgeht, dass die Reform auf ihre Renten keine direkten Auswirkungen hat.»

Richtig ist: Die Lohnanteile sämtlicher Erwerbstätiger bis 88'200 Franken sind – abzüglich eines Sockelbetrags – im Obligatorium versichert. Dieses Geld muss heute bei allen Versicherten mit einem Satz von 6,8 Prozent in eine Jahresrente umgewandelt werden. Bei einem Ja am 22. September würde die Rente für dieses Kapital um knapp 12 Prozent sinken. Die Rentenansprüche aller Erwerbstätigen sänken um rund 30 Milliarden Franken («K-Tipp» 13/2024).

Auch für Versicherte mit überobligatorischem Alterskapital hätte die Änderung des Pensionskassengesetzes Folgen. Denn die Pensionskassen müssen mindestens eine Rente garantieren, die für den obligatorischen Anteil des Alterskapitals vorgeschrieben ist. Die Senkung des Umwandlungssatzes gibt den Pensionskassen darum mehr Spielraum, auch die Rente auf dem überobligatorischen Teil noch mehr zu senken, als sie es schon bisher taten.

«Menschen, die wenig verdienen, sind im Alter besser abgesichert», schreibt der Bund.

Richtig ist: Mit der geplanten Gesetzesänderung soll ein grösserer Teil des Lohns unter das Versicherungsobligatorium fallen. Das würde zu höheren Lohnabzügen führen, aber nicht generell zu höheren Renten – wegen der Senkung um rund 12 Prozent. Das Bundesamt für Sozialversicherungen selbst stellte schon im Frühling 2023 dem Parlament mehrere standardisierte Modellberechnungen zur Verfügung, die teils der Behauptung im Abstimmungsbüchlein widersprechen.

«In Pensionskassen, die nur das gesetzliche Minimum an­bieten oder ein wenig mehr, gibt es eine Querfinanzierung von Renten auf Kosten von Erwerbstätigen», schreibt der Bund.

Richtig ist: Es gab nie eine Umverteilung von Jung zu Alt, weil in der zweiten Säule jeder für sich spart. Heute behauptet nicht einmal mehr die vom Bundesrat gewählte Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge, dass es eine solche Umverteilung gebe. Es gab und gibt in der zweiten Säule durchaus eine Umverteilung – allerdings nicht von Jung zu Alt, sondern von den Versicherten zu den Reserven der Pensionskassen.

Grund: Die durchschnittliche Nettorendite auf dem Sparguthaben der Versicherten betrug in den zehn Jahren vor 2022, wie oben erwähnt, 5,4 Prozent. Das ist viel mehr, als die Kassen den Erwerbstätigen gutschrieben oder für die Finanzierung der Renten einkalkulierten.