Den Pensionskassen geht es besser denn je. Ende 2019 beliefen sich ihre Reserven auf 164,7 Milliarden Franken – 48,3 Milliarden mehr als vier Jahre zuvor (saldo 9/2021). Trotzdem behauptet der Bundesrat, die 2. Säule müsse dringend saniert werden, um die Umverteilung von Jung zu Alt zu beenden.
Diese Behauptung, die Jungen würden die Renten der Pensionierten mitfinanzieren, ist eine Mär (saldo 2/2021). Das wird nun von unerwarteter Seite bestätigt. Stephan Wyss ist zugelassener Experte für berufliche Vorsorge und Leiter der Prevanto AG, die Pensionskassen berät. Von 2005 bis 2015 war Wyss Leiter Beratung der Swisscanto Vorsorge AG, eine der führenden Vermögensverwaltungsfirmen. Er ist zudem Vorstandsmitglied der Schweizerischen Kammer der Pensionskassenexperten. In der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins «Schweizer Personalvorsorge» verweist er auf die hohen Renditen der Pensionskassen. Zwischen 2009 und 2019 belief sich die jährliche Durchschnittsrendite auf rund 5 Prozent. «Mit diesen Renditen findet nicht einmal mehr eine Umverteilung statt», hält Wyss fest.
Er widerspricht damit dem Bundesrat und der Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge des Bundes. Sie behauptete, im Jahr 2019 hätten die Jungen die Renten der Pensionierten mit 7,2 Milliarden finanziert. Der unabhängige Pensionskassenexperte Jürg Jost zeigte aber auf: Die von der Kommission berechnete Umverteilung steht auf wackligem Fundament (saldo 2/2021 und 9/2021). Immerhin: Für 2020 korrigierte die Kommission ihre Berechnungen deutlich nach unten. Sie bezifferte die Umverteilung auf «nur» noch 4,4 Milliarden.
Doch der Bundesrat will mit einer Reform den Mindestumwandlungssatz für die Pensionskassenrenten im Obligatorium von 6,8 auf 6 Prozent senken. Das hätte eine Rentenkürzung um 12 Prozent zur Folge. Auch die zuständige Nationalratskommission will die Renten kürzen.
Rentensenkung durchbringen ist «extrem schwierig»
Weil die Pensionskassen immer reicher werden, bekommen die Politiker ein Problem. «Wie kann man eine Senkung des obligatorischen Umwandlungssatzes beim Souverän durchbringen, wenn die Renditen sprudeln und die Deckungsgrade hoch sind?», fragt Experte Wyss: «Meine ehrliche Antwort: Dies ist wirklich extrem schwierig.»
Untermauert wird Wyss’ Einschätzung durch die aktuellsten Zahlen der Oberaufsichtskommission. Demnach stieg der durchschnittliche Deckungsgrad der Pensionskassen im Juni 2021 auf 119,9 Prozent – ein neuer Rekord. 2020 betrug der durchschnittliche Deckungsgrad noch 113,5 Prozent. Das war schon damals der beste Wert seit 2012. Das heisst: Die Kassen haben heute rund 20 Prozent mehr Geld auf der hohen Kante, als sie brauchen würden, um all ihre Versicherten auszuzahlen.