Die Klägerin war vom Bürgerrat der Gemeinde als Beirätin der wohlhabenden Witwe eingesetzt worden. Ihr Auftrag: die administrativen Angelegenheiten der an Demenz erkrankten Frau zu regeln und ihr Vermögen zu verwalten. Im Jahr 2011 war die Beirätin gegen ihren Widerstand durch den Regierungsrat ihres Amtes enthoben worden. Jetzt klagt sie ein zusätzliches Honorar ein. Sie habe die 90-jährige Witwe auch rechtlich und in Sachen Steuern beraten. Die betagte Frau habe ein «besonderes Vertrauen» in sie gehabt und ihr deshalb weitere Vollmachten erteilt.
«Es geht mir nicht ums Geld», betont die ehemalige Beirätin vor dem Einzelrichter in Zug. Es sei auch für sie sehr schmerzlich, gegen ihre frühere Klientin vorzugehen. Die Klägerin, Inhaberin eines Beratungsbüros für Organisationsfragen, spricht mit Nachdruck und holt weit aus. Sie kommt auf die Kinder der Betagten zu sprechen. Diese hätten immer wieder versucht, an das Geld der Mutter zu kommen. Dagegen habe sie als Beraterin gekämpft. Doch wegen eines Kontaktverbots könne sie im Moment leider nichts mehr für ihre Klientin tun. Das breche ihr fast das Herz.
Gegenpartei hält die erteilten Aufträge für ungültig
Sie erzählt, dass sie schon seit 2005 für die Beklagte tätig gewesen sei, damals noch als administrative Mitarbeiterin eines Anwaltsbüros. Über mehrere Jahre habe sie die Witwe – unabhängig von der Beiratschaft – rechtlich beraten. Dafür schulde diese insgesamt 212 000 Franken. Doch im aktuellen Verfahren startet sie nur einen Versuchsballon und klagt vorerst einen kleinen Teil dieser Summe ein, genau gesagt 1800 Franken. Dabei gehe es um Leistungen vom November 2011. «Besprechungen mit der Klientin, diverse Mails, das ist alles belegt.» Die 165 Franken Stundenansatz seien sicher nicht überhöht. «Nach meinen Berechnungen hat die Witwe heute noch über 100 000 Franken Einkommen – pro Monat», behauptet die Klägerin. Und für ihre Beratungsleistungen verlange sie üblicherweise mehr, nämlich 250 Franken plus Mehrwertsteuer.
Der Richter erteilt der Gegenseite das Wort. «Die Beklagte ist wegen ihrer Alzheimererkrankung nicht in der Lage, an der Verhandlung teilzunehmen», erklärt die neue Beiständin und kommt gleich zur Sache. Aus taktischen Überlegungen werde heute nur ein lächerlich kleiner Anteil des Gesamtbetrags von 212 000 Franken eingefordert. Trotzdem sei eines klar: Die Forderung basiere nicht auf gültigen Aufträgen. Neben der amtlichen Aufgabe als Beirätin sei eine gleichzeitige Tätigkeit als private Rechtsberaterin für das Mündel gar nicht erlaubt gewesen. Solche Geschäfte seien ohne Zustimmung der Vormundschaftsbehörde unzulässig, Verträge zwischen Beirätin und Mündel müssten erst recht zur Genehmigung vorgelegt werden. Zudem sei die 90-Jährige wegen ihrer Demenz urteilsunfähig und damit nicht in der Lage gewesen, gültige Aufträge zu erteilen.
Die Klägerin bestreitet das vehement. Demenz bedeute nicht automatisch auch Urteilsunfähigkeit. Ihre Klientin sei durch die ständigen finanziellen Begehren der Nachkommen fast in eine Depression gefallen. «Ich habe dafür gesorgt, dass die Kinder ihre Mutter in Ruhe liessen.» Einzig dank ihrer Tätigkeit habe ihre Klientin in diesen Jahren ein schönes Leben führen können. Sie habe ihre Arbeit unter widrigsten Umständen, doch stets zum Wohl der Witwe ausgeführt.
Vollmachten konnten den Auftrag nicht belegen
Dieses Eigenlob provoziert die neue Beiständin. Sie stellt klar, dass die Amtsenthebung von 2011 wegen schwerer Pflichtverletzungen erfolgte, und prangert ein unmässiges Prozessieren der Beraterin «gegen alle involvierten Personen und Instanzen» an.
Der Richter schliesst die Verhandlung und kündigt ein schriftliches Urteil an. Drei Wochen später wird die Klage abgewiesen. Laut Urteil hat die Klägerin nicht nachweisen können, wann und auf welche Weise die Witwe konkret einen Auftrag erteilt hat. Die vorgelegten Vollmachten konnten diesen Beweis nicht erbringen. Die eine sei drei Jahre zuvor unterschrieben worden und beziehe sich nur generell auf Rechts- und Steuerberatung. Die nächste gelte allein für medizinische Belange. Die dritte Vollmacht sei erst im Folgejahr erteilt worden – also nicht relevant. Ob die Witwe urteilsfähig gewesen sei, sei «zumindest fraglich», spiele aber wegen des fehlenden Nachweises für das Zustandekommen eines Auftrags keine Rolle.
Prozessieren: Ohne Vertrag kein Honorar
Wer beim Gericht eine Klage auf einen bestimmten Geldbetrag einreicht, muss nachweisen, dass das Geld in der geforderten Höhe geschuldet ist. In den meisten Forderungsprozessen geht es um Ansprüche aus einem Vertrag.
Deshalb ist es Sache des Klägers, das Zustandekommen eines gültigen Vertrages zu beweisen. Das geht am besten mit einer Vereinbarung, die von allen Parteien unterzeichnet wurde. Ausnahme: Auch ein unterschriebener Vertrag ist ungültig, wenn eine Partei im Zeitpunkt der Unterschrift urteils- oder handlungsunfähig war.
Bei Verträgen zwischen Beistand und Mündel kommt dazu: Solche Vereinbarungen müssen von der Erwachsenenschutzbehörde genehmigt werden, damit sie gültig sind. Einzige Ausnahme von dieser Regel sind unentgeltliche Aufträge zwischen Mündel und Beistand.