Die Swisscom kennt nicht nur die Adressen ihrer Telefonkunden, sie speichert auch alle Verbindungs- und E-Mail-Daten und sie analysiert, wer wie oft welche Sendungen im Fernsehen anschaut (siehe Grafik). Jetzt sammelt der Bundesbetrieb mit dem Produkt Evita noch weit intimere Daten.
Laut Swisscom soll Evita die Kunden «dabei unterstützen, die eigene Gesundheit selbständig zu managen». Evita ist ein elektronisches Gesundheitsdossier, das die Swisscom-Tochter Swisscom Health AG betreibt. Wer sich auf Evita registriert, kann dort Angaben zu Blutgruppe, Allergien, Impfungen usw. speichern – und letztlich die gesamte Krankengeschichte. Die Swisscom bietet den Kunden auch an, auf Evita ihre Reisedokumente, Flugtickets und Ausweise zu hinterlegen.
Bisher deponierten 5000 Kunden ihre Daten
Auf der Website schreibt die Swisscom, Evita sei kostenlos. Wer Fragen hat, zahlt aber für einen Anruf bei der Helpline Fr. 1.90 pro Minute. Und: Gemäss Allgemeinen Geschäftsbedingungen kann Evita «kostenpflichtige Anwendungen» sowie Waren und Dienstleistungen von Dritten anbieten. Beispiel: den Evita-Docupass. Er kostet für zwei Jahre 59 Franken. Auf dem Docupass lassen sich Patientenverfügung und Testament speichern. Aktuell haben laut Swisscom rund 5000 Kunden ihre Gesundheitsdaten auf Evita hinterlegt.
Auch die Post wird zur immer grösseren Datenkrake
Die Post mischt im Geschäft mit den Gesundheitsdaten ebenfalls kräftig mit. Per Ende 2016 waren im Kanton Genf 21 528 Patienten im sogenannten «Mon Dossier Medical» registriert. Dabei handelt es sich um ein Pilotprojekt von Post und Kanton.
Im Kanton Tessin betreibt die Post das elektronische Patientendossier «reTIsan» für Krebspatienten mit bislang 55 Registrierten. Anders als bei der Swisscom kann das elektronische Patientendossier «Post E-Health» nur vom Hausarzt oder anderen Gesundheitsfachleuten eröffnet werden.
Wie die Swisscom wird auch die Post auf diese Weise zur immer grösseren Datenkrake. Denn heute schon kennt die Post die Adressen aller Haushalte und wertet den elektronischen Zahlungsverkehr ihrer Kunden kommerziell aus (siehe saldo 16/2016).
Post wie Swisscom versichern, dass die Gesundheitsdaten der registrierten Kunden weder analysiert noch weiterverwendet würden und auf sicheren Servern in der Schweiz hinterlegt seien. Die Swisscom schreibt in ihrem Geschäftsbericht 2015, die «Marke Swisscom» vermittle auch im Gesundheitsbereich «Vertrauen und Sicherheit».
Patientenschützer: Datenschutz ist nicht garantiert
Erika Ziltener, Präsidentin des Dachverbandes der Schweizerischen Patientenstellen, bleibt trotz dieser Versprechen skeptisch. Sie sagt: «Der Bürger kann heute nur schwer abschätzen, welche Risiken er eingeht, wenn er seine Daten an verschiedene Akteure freigibt.»
Der Datenschutz und der gesicherte Austausch der Daten stelle ein grosses Problem dar, sagt auch Daniel Tapernoux von der Organisation SPO Patientenschutz. Er rät ebenfalls davon ab, persönliche und sensible Gesundheitsdaten an elektronische Ablagesysteme abzugeben, die aktuell von verschiedenen Unternehmen auf dem Markt angeboten werden.
Hintergrund der Jagd nach Gesundheitsdaten ist das Bundesgesetz über das elektronische Patientendossier. Es tritt im Frühjahr in Kraft und regelt den elektronischen Datenaustausch zwischen Spitälern, Gesundheitsfachleuten und Patienten.
Das Gesetz hat zur Folge, dass alle Leistungserbringer im Gesundheitsbereich viel Geld in Computer, Programme und Plattformen für den elektronischen Datenaustausch investieren müssen. Post und Swisscom verdienen dabei mit. Die Swisscom Health AG hat zum Beispiel den Zuschlag bekommen, für 2,25 Millionen Franken technische Lösungen für den Kanton Zürich zu liefern. Die Post kann für 871 000 Franken die Kantone Glarus und Graubünden mit IT-Lösungen beliefern – ausser der Auftrag geht doch noch an die Swisscom.
Die Rechnungen von Post und Swisscom bezahlen wird letztlich der Steuerzahler. Der Bund wird den Kantonen nämlich 30 Millionen Franken Subventionen für den Aufbau des elektronischen Datenaustausches zahlen. Der Steuerzahler, die Krankenversicherten und die Patienten könnten aber noch weiter zur Kasse gebeten werden: «Mit dem elektronischen Patientendossier kommen grosse Kosten auf uns zu. Wer sie trägt, ist noch ungewiss», sagt Alex Steinacher, Vorstandsmitglied Hausärzte Schweiz.
Datenkrake Swisscom
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