An ihre Gürtelrose hat die 54-jährige A. R. schmerzhafte Erinnerungen. Es begann mit ein paar harmlosen Bläschen am Rücken. Innerhalb kurzer Zeit wurden es immer mehr. Die Bläschen entwickelten sich zu Pusteln, gefüllt mit Flüssigkeit, und sie juckten. Zudem bekam R. an dieser Stelle immer stärkere Schmerzen: «Es tat höllisch weh.»
Den Schmerz beschreibt sie als «etwas zwischen Brennen und Stechen von innen heraus». R. hegte gleich den Verdacht auf Gürtelrose und ging am dritten Tag, nachdem die ersten Bläschen erschienen waren, zur Hausärztin. Diese bestätigte tatsächlich einen Herpes Zoster, wie die Gürtelrose in der Fachsprache heisst. Schuld daran ist das Windpockenvirus, das die Kinderkrankheit Wilde Blattern verursacht.
Das Virus bleibt lebenslang im Körper. Doch wenn das Immunsystem schwach ist, hat der Erreger die Chance, sich wieder auszubreiten. Besonders gefährdet sind Menschen ab 50. Den Grund erklärt Werner Kempf, Hautspezialist und Virusexperte aus Zürich: «Die Abwehrkraft des Körpers lässt mit zunehmendem Alter nach.»
Medikamente: Je schneller, desto besser
Jüngere Menschen bekommen viel seltener Gürtelrose. Und sie heilt laut Werner Kempf auch meist ohne Komplikationen ab, die Patienten würden gar keine Medikamente benötigen. Der Erreger aus der Gruppe der Herpesviren befällt laut Experten in der Schweiz jedes Jahr 13 000 Menschen. Ab 50 steigt die Erkrankungsrate. Bei den über 80-Jährigen macht gar jeder Zweite eine Gürtelrose durch.
A. R. hatte Glück. Heute, drei Monate später, ist sie wieder vollständig gesund. Schmerzen und Ausschlag sind verschwunden. Sie habe richtig gehandelt, weil sie früh genug zum Arzt gegangen sei, sagt Kempf. Die Hausärztin hatte rechtzeitig ein Medikament verschrieben, das verhindert, dass sich das Virus weiter vermehren konnte.
Medikamente gegen das Virus wirken am besten in den ersten drei Tagen, weil sich dieses gerade dann am stärksten ausbreitet. Stephan Lautenschlager, Chefarzt am Dermatologischen Ambulatorium des Zürcher Triemlispitals, erklärt: «In dieser Phase entscheidet sich, wie gross der Schaden wird, den die Viren im Körper anrichten.»
Patienten sollten bei Verdacht so schnell wie möglich zum Arzt, sagt Lautenschlager. Je mehr Viren entstehen, desto grösser ist die Gefahr, dass chronische Nervenschmerzen zurückbleiben. Diese können die Patienten monate- bis jahrelang an der Stelle des Ausschlags quälen, obwohl die Pusteln und Bläschen längst verheilt sind.
Je älter die Betroffenen sind, umso höher ist das Risiko für bleibende Schmerzen. Lautenschlager: «Die Lebensqualität der überwiegend betagten Menschen sinkt durch die Schmerzen erheblich.» Nach seiner Auskunft leiden 30 bis 40 Prozent der Gürtelrosepatienten über 60 an diesen chronischen Nervenschmerzen. Mit steigendem Alter nehme das Risiko zu.
Das Virus kann sogar die Sehkraft vermindern
Patienten bemerken die Krankheit oft zuerst am Ausschlag. In der Akutphase tritt er vor allem in der Lendengegend am Rücken auf – daher der Name Gürtelrose. Aber Stephan Lautenschlager weiss: «Er kann auch überall am Körper auftreten, sogar an den Füssen.» Obwohl die Pusteln sich meist grossflächig ausbreiten, könne es auch nur wenige Bläschen geben, die man nicht vernachlässigen dürfe.
Zum Beispiel im Gesicht. Dort kann das Virus sehr gefährlich werden und das Auge sowie den Gesichts-nerv schädigen. Die verheerenden Folgen: Man sieht nicht mehr gut und es kann die gefürchtete Trigenimus-Neuralgie auslösen, einen Nervenschmerz im Gesicht. Befällt das Virus das Innenohr, kann es auch zu Hörverlust kommen. Denn der Erreger schädigt die Nerven. Weitere Symptome sind Abgeschlagenheit, Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen.
Die wichtigsten Medikamente sind Virusmittel. Weil jüngere Patienten mit dem Virus besser fertig werden, verschreiben sie Ärzte in der Regel nur Patienten ab 50 und Menschen mit einem geschwächten Immunsystem. Aber auch Patienten, bei denen die Schmerzen zu Beginn besonders stark sind, bekommen solche Medikamente. Lautenschlager erklärt: «Das ist ein Zeichen für einen schweren Krankheitsverlauf.» Dem könnten die Virusmittel entgegenwirken.
Bei starken Schmerzen verschreiben Ärzte sogar Antidepressiva
Gegen die Symptome wenden Ärzte eine ganze Palette von Medikamenten an. Denn die Patienten sprechen nicht auf alle Mittel gleich gut an und müssen oft mehrere ausprobieren, bis etwas nützt.
Zu Beginn der Krankheit helfen Salben, Pasten und Lotionen. Sie bekämpfen die Beschwerden, die der Ausschlag verursacht. Gegen die Schmerzen verschreiben die Ärzte anfangs und bei leichten Fällen einfache Schmerzmittel wie Panadol oder Ibuprofen. Wenn die Schmer-zen die Patienten länger als 30 Tage nach Abklingen des Ausschlags noch quälen, braucht es stärkere Mittel.
Dann kommen auch Antidepressiva zum Einsatz. Sie wirken auf das zentrale Nervensystem und dämpfen das Schmerzempfinden. Seltener werden auch Medikamente gegen Epilepsie verschrieben. Sie wirken ähnlich wie die Antidepressiva. Opioide wie Fentanyl oder Tramal sind eine Alternative, wenn andere Schmerzmittel zu wenig wirken.
Pflaster mit betäubenden Wirkstoffen wie Capsaicin aus der Chilischote helfen manchen Patienten lokal.