Vor dem Strafgericht Basel-Stadt steht ein 45-jähriger ehemaliger Anwalt. Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft sind happig. Laut Anklageschrift hat der Mann zwischen 2003 und 2009 rund 70 700 Franken und 29 400 Euro von Klienten unrechtmässig für die Tilgung seiner persönlichen Schulden benutzt, statt sie treuhänderisch zu verwalten. Insgesamt wurden gemäss Staatsanwältin fünf Mandate nicht korrekt abgerechnet. Sein Schwager habe ihm über 29 000 Euro zur Verwaltung gegeben. Innert kürzester Zeit habe der Angeklagte den Betrag bis auf 5,12 Euro verprasst. Der Schwager gelangte an die Aufsichtskommission der Advokatenkammer Basel.
Wenig später steckte der Anwalt laut Anklage Akontozahlungen eines Klienten in die eigene Tasche. Wiederum landete der Fall bei der Aufsichtskommission. Trotz Fristerstreckung sei der Anwalt nicht in der Lage gewesen, das Geld zurückzuzahlen.
Freiwillig auf die Zulassung als Anwalt verzichtet
Zudem wirft die Staatsanwältin dem Advokaten vor, in zwei Fällen Parteientschädigungen eingesackt zu haben, statt sie an seine Klienten weiterzuleiten.
Die Aufsichtskommission der Advokatenkammer Basel musste nicht darüber entscheiden, ob dem Mann das Patent entzogen wird. Der Angeklagte gab seine Zulassung als Anwalt freiwillig zurück.
Der Präsident des Strafgerichts fragt den Ex-Anwalt an den zwei Verhandlungstagen mehrmals, weshalb er beim Eingang grösserer Beträge auf dem Klientenkonto immer gleich am Geldautomaten Bargeld bezogen habe. «Ich mache meistens meine Einzahlungen in bar», antwortete der Angeklagte ausweichend. Wofür er all das Geld konkret gebraucht habe? «Es ist sehr schwierig für mich, das alles zu reflektieren», meint der Ex-Advokat ausweichend.
Schulden und ein Durcheinander im Büro als Rechtfertigung
Sein Verteidiger begründet die Vorkommnisse in seinem Plädoyer mit den hohen Schulden, die sein Mandant vor Jahren angehäuft habe. «Die Taten erfolgten aus wirtschaftlicher Not, nicht aus Bösartigkeit.» In einem Fall habe der Angeklagte immerhin den bezogenen Vorschuss eines Mandanten mit anwaltlichen Leistungen abgegolten. Belege dazu gibt es allerdings nicht. Der Ex-Anwalt murmelt, seine gesamte geschäftliche Dokumentation sei lückenhaft. Deshalb sei er wohl jetzt hier.
Die Staatsanwältin sieht das anders: Der Angeklagte habe das Vertrauen seiner Klienten aus egoistischen Gründen missbraucht. «Er hat sie wissentlich und willentlich geschädigt» und dabei eine «hohe kriminelle Energie» an den Tag gelegt. Wegen mehrfacher qualifizierter Veruntreuung fordert sie eine teilbedingte Freiheitsstrafe von drei Jahren, ein Jahr davon unbedingt.
Der Verteidiger beantragt eine bedingte Strafe zwischen 12 und 18 Monaten. Sein Mandant habe in einigen Fällen die Vorschüsse mit eigenen Leistungen verrechnen dürfen. Dass er nicht sauber abgerechnet habe, sei «strafrechtlich nicht relevant».
Verfahrenskosten belaufen sich auf total 73 000 Franken
Das Gericht verurteilt den Ex-Anwalt zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten. Wenn er sich während zwei Jahren nichts zuschulden kommen lässt, muss er die Strafe nicht absitzen. Die Richter sehen es als erwiesen an, dass der Ex-Anwalt in fünf Fällen Gelder seiner Mandanten für private Zwecke abzweigte.
Den Geschädigten muss er 35 000 Franken Schadenersatz zahlen. Dazu kommen Verfahrenskosten von 73 000 Franken.
Fehlbare Anwälte: Ein Fall für die Aufsichtskommission
Das Strafgesetzbuch gilt auch für Anwälte. Wer einen Anwalt einer Straftat verdächtigt, kann Anzeige erstatten. Staatsanwaltschaft und Polizei müssen dann ermitteln – wie bei jedem andern Bürger auch.
Rechtsanwälte unterstehen noch einer zusätzlichen Aufsicht. Jeder Kanton verfügt über eine Aufsichtskommission über die Anwälte. Das aus Richtern und Anwälten zusammengesetzte Gremium entscheidet über Disziplinarmassnahmen. Anwälte müssen vertrauenswürdig sein. Strafgerichte stellen deshalb die Akten eines Verfahrens gegen einen Anwalt direkt der Aufsichtskommission zu. Die Sanktionen bei Fehlverhalten reichen vom Verweis über eine Busse bis zu einem Patententzug. Wer Klientengelder veruntreut, muss mit einem mindestens vorübergehenden Entzug des Patents rechnen.