Das System Trump bleibt
Donald Trump wurde abgewählt. Der «Trumpismus» aber lebt weiter, schreibt Tobias Endler – mit Folgen für die USA und die westlichen Demokratien.
Inhalt
saldo 20/2020
01.12.2020
Letzte Aktualisierung:
02.12.2020
Remo Leupin
Wäre «Game Over» ein Lied – es wäre der perfekte Soundtrack zum gegenwärtigen Zustand der USA. Und zum «Trumpismus», der als rechtspopulistische Bewegung die «älteste Demokratie der Welt» bis ins Mark erschüttert. Tobias Endler stellte sein Buch im Sommer fertig, als der Ausgang der US-Präsidentenwahl noch in den Sternen stand. «Selbst wenn die Trump-Regierung abgewählt werden sollte», schreibt der &...
Wäre «Game Over» ein Lied – es wäre der perfekte Soundtrack zum gegenwärtigen Zustand der USA. Und zum «Trumpismus», der als rechtspopulistische Bewegung die «älteste Demokratie der Welt» bis ins Mark erschüttert. Tobias Endler stellte sein Buch im Sommer fertig, als der Ausgang der US-Präsidentenwahl noch in den Sternen stand. «Selbst wenn die Trump-Regierung abgewählt werden sollte», schreibt der Politologe und USA-Experte, «das von Donald Trump mitetablierte System wird fortbestehen.»
Wie recht er hatte, zeigte sich in den vergangenen Wochen. Der noch bis Januar regierende Präsident missachtet alle Regeln des politischen Anstands. Er sabotierte die Amtsübergabe an seinen Nachfolger, spricht weiterhin von Wahlbetrug und kann sich dabei der Sympathien seiner 71 Millionen Wähler sicher sein.
Detailreich zeichnet das Buch das Bild einer zerrissenen Nation, in der Trumps Aufstieg möglich wurde. «Immer mehr Amerikanern wird die Welt zu viel», schreibt Endler. Trump bot ihnen eine Parallelwelt an. Ein Leben, das nicht von einem «komplexen Alltag in Politik und Gesellschaft» gestört wird.
Der Zustand einer Nation ist auch Kompass für deren aussenpolitisches Handeln. Die Weltmacht USA ist auf dem Rückzug. Die transatlantische Zusammenarbeit, das jahrzehntealte Bollwerk westlicher Demokratien gegen autoritäre Regimes wie Russland und China, ist am Bröckeln. «Die USA brauchen den Westen nicht», schreibt Endler. Aber Europa braucht die USA in vielen Bereichen: vor allem technologisch und wirtschaftlich.
«Game Over» ist ein spannendes und elegant geschriebenes Buch, gespickt mit Anekdoten des Autors, der die USA kennt wie seine Westentasche.
Tobias Endler, «Game Over. Warum es den Westen nicht mehr gibt», Orell Füssli, ca. Fr. 27.–, Zürich 2020