Wer ein Billet kauft, schliesst mit der Bahn einen Vertrag ab. Die SBB geben den Tarif durch – im wörtlichen Sinn: Was bei Verträgen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen geregelt wird, heisst bei den SBB «Tarif». Er bestimmt die Regeln zwischen Kunde und Bahn. Die Anwälte und Hochschullehrer Michael Hochstrasser und Arnold F. Rusch analysierten den SBB-Tarif in einem Beitrag für die Fachzeitschrift «Jusletter». Das sind die wichtigsten Regeln:
1. Was unterscheidet ein Billett auf Papier von einem E-Ticket?
Mit einem Papierbillett darf fahren, wer es hat. Anders beim E-Ticket aus dem Internet oder auf der Handy-App. Es ist nicht übertragbar und gilt nur zusammen mit einem amtlichen Ausweis wie der ID. Ist der Handyakku leer, liegt das Risiko beim Kunden. Kann er ein E-Ticket aus technischen Gründen nicht zeigen, notiert der Kontrolleur die Personalien. Die SBB prüfen, ob ein gültiges Ticket existierte. Das kostet 30 Franken. Fehlte ein gültiges Ticket, droht in Zügen mit Selbstkontrolle ein Schwarzfahrerzuschlag von 90 Franken. In bedienten Fernzügen gibt es eine andere Möglichkeit: Passagiere können im Zug ein neues Billett lösen und den Kaufpreis später zurückfordern. Das ist unter Umständen billiger.
2. Erhalten Bahnfahrer den Preis eines nicht verwendeten Billetts zurück?
Vor Beginn der Gültigkeitsfrist kann man das Billett stets zurückgeben – am Schalter, im Internet oder in der App. Nach Beginn der Gültigkeit muss der Passagier beweisen, dass er das Ticket nicht benützt hat, etwa mit der Bestätigung eines Arztes oder des Arbeitgebers. Eine elektronische Rückgabe ist kostenlos. Sonst kostet die Rückgabe je nach Art der Tickets 10 oder 20 Franken.
3. Darf man ohne Billett einsteigen, wenn kein Schalter geöffnet ist und die Automaten nicht funktionieren?
Ja. Bei einer Kontrolle dürfen die SBB den Fahrpreis verlangen, nicht aber den Schwarzfahrerzuschlag.
4. Was gilt für Reisende, die versehentlich in den falschen Zug eingestiegen sind?
Sie dürfen gratis zum Startbahnhof zurück- oder zu ihrem Reiseziel weiterfahren. Das gilt nur für bediente Fernzüge. Bei Fahrten mit Selbstkontrolle riskiert man einen Zuschlag.
5. Wer hat Anspruch auf einen Sitzplatz?
Anspruch auf einen Sitz haben nur Passagiere mit Platzreservation. Normale Billette oder Abos geben nur Anspruch auf die Beförderung. Sind Sitzplätze frei, darf man sich einen aussuchen. Wer kurz aufs WC geht und den Platz mit einem Kleidungsstück besetzt, hat weiterhin Anspruch darauf. Kinder unter 6 Jahren reisen kostenlos. Sie müssen bei Platzmangel aber Leuten mit Billett weichen.
6. Wie viel Gepäck darf man gratis mitnehmen?
Handgepäck ist im Billettpreis inbegriffen. Es muss leicht tragbar sein und ist auf die Masse 1,20 × 0,80 × 1 m beschränkt. Schneesportgeräte, zusammengeklappte Kinderwagen und demontierte und verpackte Velos kosten unabhängig von der Grösse nichts. Wer das Gepäck im vollen Zug auf den Sitz stellt, braucht dafür ein Billett.
7. Muss man für Tiere bezahlen?
Haustiere, die maximal 30 Zentimeter hoch sind, kann man in einer Tasche oder einem Käfig kostenlos mitnehmen. Stellt man den Behälter auf einen Sitz, ist ein halbes Billett nötig. Auch Tiere, die nicht in einer Tasche Platz haben, kosten den halben Preis.
8. Darf ich in die erste Klasse, wenn die zweite überfüllt ist?
Ohne Zuschlag darf man die Klasse nur mit der Zustimmung des Zugbegleiters wechseln.
9.Für welche Schäden haften die SBB?
Die SBB haften bei Unfällen für Verletzungen und Gepäckschäden. Für verlorenes, gestohlenes oder von Passagieren beschädigtes Gepäck haften die SBB nur, wenn sie schuld sind.
10.Anschlusszug verpasst: Was gilt?
Verpasst ein Passagier wegen einer Verspätung im Fahrplan vorgesehene Anschlüsse, kann er wählen: Er nimmt den nächsten passenden Zug oder Bus. Oder er fährt gratis retour und erhält den vollen Preis der Reise zurück. Oder er verzichtet auf die Weiterfahrt und erhält das Geld für die nicht befahrene Strecke zurück.
11. Ab welcher Verspätung zahlen die SBB eine Vergütung?
Im Inland hat man keinen Anspruch auf Entschädigung. Wer über die Landesgrenze reist, bekommt ab einer Stunde Verspätung 25 Prozent des Fahrpreises erstattet, ab zwei Stunden 50 Prozent. Beim französischen TGV gibt es bereits ab einer halben Stunde 25 Prozent des Preises zurück («K-Tipp» 15/2019).
12. Was passiert, wenn der letzte Zug ausfällt?
Wer abends wegen Verspätung oder Zugsausfall nicht mehr ans Ziel kommt, darf auf Kosten der SBB im Hotel übernachten oder ein Taxi nach Hause nehmen. Die Entschädigung ist auf 200 Franken beschränkt. Passagiere müssen ihre Ansprüche so rasch wie möglich bei den SBB anmelden.
Besserer Schutz mit Pauschalreise
Wer eine Bahnreise bei einem Reisebüro zusammen mit einer anderen Leistung wie etwa einer Hotelübernachtung bucht, schliesst einen Pauschalreisevertrag ab. Bei erheblichen Schwierigkeiten haben Kunden folgende Rechte:
Der Reiseveranstalter muss dafür sorgen, dass die Reise weitergeht. Allenfalls muss er eine andere Reisemöglichkeit anbieten.
Kunden haben Anspruch auf Schadenersatz, also auf eine Entschädigung für allfällige Mehrkosten.