Milch ist gesund, davon ist jedes Kind überzeugt. Doch das Nahrungsmittel gerät in Verruf, seit viele Vegetarier nicht mehr nur auf Fleisch verzichten, sondern eine Diät anpreisen, die auch Milch vom Speisezettel verbannt.
Kürzlich sind gleich zwei Medienbeiträge zum Thema Milch als Krankmacher erschienen: ein Artikel in der Zeitschrift «Schweizer Familie» sowie die Radiosendung Kontext mit dem Titel «Mythos Milch» auf SRF 2 Kultur.
Darin behauptete Thomas Rau, Chefarzt der Paracelsus Klinik Lustmühle AR, Milch könne Prostatakrebs fördern. Schuld sei das Eiweiss Beta-Lactoglobulin. Der Körper vertrage es schlecht und aktiviere zur Abwehr weisse Blutkörperchen. Diese würden dann als Kämpfer gegen Krebszellen fehlen.
Doch der Zürcher Urologe Felix Trinkler winkt ab. «Das ist ein Mythos.» Es gebe keine zuverlässige Studie, die beweise, dass Milch Prostatakrebs fördere. Ganz im Gegenteil: Britische Forscher fanden sogar Hinweise, dass Milch das Risiko für Dickdarmkrebs reduziert.
Weiter behauptet Thomas Rau, dass Milch die Knochen brüchig mache und Osteoporose begünstige. Das Eiweiss in der Milch entziehe den Knochen Kalzium. Dieses Mineral braucht das Knochengewebe, um nachwachsen zu können.
Wer viel Milch trinkt, hat eine höhere Knochendichte
Doch diese Behauptungen widersprechen dem aktuellen Stand der Forschung, wie unter anderem eine Übersichtsstudie der kanadischen Universität Alberta zeigt. Die Wissenschafter fanden keinen Beweis dafür, dass Milchprodukte den Knochen schaden.
Tatsache ist: Milch entzieht dem Körper kein Kalzium, sondern versorgt ihn gar mit dem wichtigen Mineral. Forscher der US-Universität Cincinnati untersuchten 3000 Frauen. Diejenigen, die seit der Kindheit täglich mehr als eine Tasse Milch trinken, hatten eine höhere Knochendichte. Ausserdem erlitten sie seltener Knochenbrüche.
Bewegung stärkt die Knochen ebenfalls
Hausarzt Etzel Gysling aus Wil SG sagt: «Milch und Milchprodukte sind die beste Kalziumquelle.» Wer das Getränk nicht mag, kann zu Fenchel, Nüssen oder Mineralwasser wie Aproz und Contrex greifen. Von Tabletten rät Gysling jedoch ab. Laut Studien könnten künstliche Kalziumpräparate das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle erhöhen.
Doch nicht nur die Ernährung ist wichtig, auch Bewegung stärkt die Knochen, beispielsweise Walken, Joggen oder Krafttraining. Thomas Rau war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Kalzium: Die besten Lieferanten
Kinder brauchen täglich 1200 mg Kalzium, Erwachsene 1000 mg. Besonders viel Kalzium befindet sich in folgenden Nahrungsmitteln:
- Hartkäse (wie Parmesan, Sbrinz): 1300 mg/100 g
- Halbhartkäse (wie Gruyère, Emmentaler): 900 mg/100 g
- Sardinen in Öl: 400 mg/100 g
- Weichkäse (wie Camembert, Brie): 350 mg/100 g
- Mandeln: 250 mg/100 g
- Weisse Bohnen: 160 mg/100 g
- Milch: 120 mg/dl
- Yoghurt: 120 mg/dl
- Tofu: 100 mg/100 g
- Broccoli: 90 mg/100 g
- Mineralwasser: 45 mg/dl
- Fenchel: 37 mg/100 g
Ratgeber «Essen und trinken: Tipps für eine gesunde Ernährung», mit Anregungen zum Einkaufen und zu gesundem Genuss sowie alles über E-Nummern (166 Seiten).