Rund ein Viertel der Schweizer Bevölkerung heizt laut dem Bundesamt für Statistik mit Gas. Die Energieversorger verkaufen immer mehr Biogas. Dieses wird durch die Vergärung von Grünabfällen und Gülle hergestellt und gilt im Gegensatz zu Erdgas als erneuerbar.
Energie 360°, das Gaswerk der Stadt Zürich, schreibt im Internet: «Schützen Sie das Klima mit erneuerbarem Biogas.» Auch weitere Versorger wie Energie Wasser Luzern, Energie Wasser Bern oder das Stadtwerk Winterthur bewerben Biogas als naturschonende Alternative. Betrachtet man die ganze Herstellungskette, stösst auch Biogas klimaschädliches Treibhausgas aus – etwa halb so viel wie Erdgas. Denn bei der Produktion entweicht Methan, das viel schädlicher ist als CO2.
Der Biogasanteil am gesamten in der Schweiz verkauften Gas stieg von 2020 bis 2022 von 4 auf 8 Prozent. Das zeigen Zahlen des Verbands der Gasindustrie. Mehr als die Hälfte des Biogases stammt von Energie 360°. Auf seiner Website erweckt das Gaswerk den Eindruck, das Biogas stamme aus dem Inland: «Wir betreiben sieben eigene Biogasanlagen – allesamt in der Schweiz.»
Doch wer weiterliest, erfährt: 90 Prozent des Biogases von Energie 360° werden im Ausland produziert – etwa in Deutschland, Dänemark oder Ungarn. Laut dem Gasverband stammen 85 Prozent des von Gaswerken in der Schweiz verkauften Biogases aus dem Ausland.
Energiefirmen etikettieren Erdgas zu Biogas um
Für die Gaswerke ist das ein gutes Geschäft. Für 100 Prozent Biogas bezahlen Zürcher Kunden 20,32 Rappen pro Kilowattstunde. Gegenüber Erdgas beträgt der Aufschlag 6 Rappen. Bei der Aargauer Eniwa ist Biogas 6,6 Rappen teurer als Erdgas, bei den Basler IWB 8,6 Rappen. Energie 360° schreibt, man verdiene mehr an Kunden, die nur Biogas beziehen. Die Gewinnmarge sei aber prozentual gleich hoch wie die Marge beim Erdgas.
Viele Gasversorger, darunter Energie 360°, das Stadtwerk Winterthur und mehrere Ostschweizer Gaswerke, kaufen im Ausland mehrheitlich nicht das physische Biogas ein, sondern nur Zertifikate – so wie das auch beim Ökostrom üblich ist («K-Tipp» 17/2023). Das bedeutet: Die Gaswerke liefern ihren Kunden normales Erdgas, das sie im internationalen Handel beschaffen, und etikettieren es um, indem sie dafür grösstenteils ausländische Zertifikate für Biogas einkaufen.
Bund und Kantone planen Ausstieg aus dem Heizgas
Die Schweiz kann sich nicht auf Biogas aus dem Ausland verlassen. Denn in Ländern, die stärker von Gas abhängig sind, ist die Nachfrage markant gestiegen. Daher schreibt das Bundesamt für Energie: «Biogas sollte in erster Linie in der Schweiz produziert und nur ergänzend aus dem Ausland importiert werden.»
Da es in der Schweiz nie so viel Biogas geben wird, um auch nur annähernd das heute verbrauchte Erdgas zu ersetzen, sieht die Klimastrategie des Bundes und der Kantone vor, Gasheizungen auszumustern. Biogas soll vor allem in Industrie und Gewerbe verwendet werden, wo es schwer zu ersetzen ist.
Den Ausstieg aus dem Heizgasgeschäft setzen allerdings erst wenige Energieversorger um. Die Basler IWB beginnen demnächst, ihr Gasnetz stillzulegen. Und Energie 360° schliesst keine neuen Haushalte mehr ans Gasnetz an.