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saldo 12/2021
22.06.2021
Lisa Catena
Auf die Plätze, fertig, los! Wer aus optimaler Position startet, hat gute Chancen zu gewinnen. Was beim Marathon die Einteilung der Startblöcke und in der Formel 1 das Qualifying ist, beginnt beim Einkaufen mit der Durchsage: «Frau Keller, an die Kasse 2, bitte. Frau Keller!» Und sofort begeben sich die Kunden in Startposition, als hätte es Corona nie gegeben. Der Einkaufswagen wird ausgerichtet, die Fitness der anderen Kunden diskret abgecheckt.
Auf die Plätze, fertig, los! Wer aus optimaler Position startet, hat gute Chancen zu gewinnen. Was beim Marathon die Einteilung der Startblöcke und in der Formel 1 das Qualifying ist, beginnt beim Einkaufen mit der Durchsage: «Frau Keller, an die Kasse 2, bitte. Frau Keller!» Und sofort begeben sich die Kunden in Startposition, als hätte es Corona nie gegeben. Der Einkaufswagen wird ausgerichtet, die Fitness der anderen Kunden diskret abgecheckt.
Aber würde jetzt jemand so frech sein und sich direkt zur Kasse 2 begeben? Nein. So jemand würde sofort mit feindseligen Blicken disqualifiziert. Alle warten also gespannt auf das Go von Frau Keller. Diese nimmt sich Zeit. Setzt sich langsam hin, öffnet lässig die Kasse. Für die Kunden beginnt jetzt die entscheidende Phase. Einige lockern noch kurz ihre Wadenmuskeln, andere machen einen Schritt zur Seite, um ein Durchbrechen des Hintermanns zu vermeiden.
Beim Marathon würde in wenigen Sekunden die Pistole knallen. In der Formel 1 würde die Startampel auf Grün gestellt. Beim Einkaufen ist das Prozedere etwas komplizierter. Frau Keller nimmt den Trennstab in die Hand. Das Band beginnt zu laufen. Frau Keller bemüht sich, niemanden anzusehen. Dann das Startzeichen: «Si dörfet cho.»
Jetzt passiert etwas Urschweizerisches: eine Sekunde lang gar nichts. Keiner will der Erste sein, denn Schweizer hassen Sieger. Erst nachdem jemand den ersten Schritt gemacht hat, preschen alle anderen vor. Um sich dann, zuvorderst stehend, nochmals umzudrehen und die Person dahinter gespielt freundlich zu fragen: «Händ Sie nur das? Denn chömed Sie doch füre.»