Viele Patienten kommen kränker aus dem Spital, als sie eingetreten sind. Swissnoso, eine Expertengruppe für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene, schätzt, dass in der Schweiz jedes Jahr rund 70 000 Personen an Spitalinfektionen erkranken und 2000 Patienten daran sterben. Auslöser sind Krankheitserreger wie MRSA oder ESBL, gegen die gängige Antibiotika machtlos sind (siehe Unten).
Laut Swissnoso-Präsident Andreas Widmer bringen «80 bis 90 Prozent» der Erkrankten die heiklen Bakterien ins Spital mit. Denn viele Menschen tragen resistente Keime auf der Haut oder im Körper. Diese werden zum Problem, wenn sie über eine Wunde oder Operation ins Körperinnere gelangen und dort Infektionen auslösen. Die Keime lassen sich schlecht bekämpfen, weil sie gegen die meisten Medikamente resistent sind.
Der Bundesrat will nun durch Aufklärung und mehr Kontrolle Bauern und Ärzte dazu bringen, weniger Antibiotika zu verwenden. Ihr Einsatz lässt resistente Bakterien erst entstehen. Bis es so weit ist, muss sich der Einzelne selbst schützen:
Urlaub
Resistente Keime sind ein häufiges Mitbringsel von Reisen nach Südostasien. Das zeigt eine im Herbst 2014 veröffentlichte Studie des Schweizer Tropeninstituts. Die Forscher hatten 170 Touristen vor und nach ihrer Reise auf ESBL-Erreger untersucht. Resultat: 87 Prozent der Indien-Reisenden brachten diese mit, 80 Prozent der Nepal- und der Bhutan-Touristen, 35 Prozent der Sri-Lanka-Besucher. Die meisten Träger hatten die Keime bei privaten Kontakten aufgelesen – oder via Glace und Gebäck.
Es gibt keine Hausmittel, um resistente Keime loszuwerden. Andreas Widmer, Professor für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene an der Universität Basel, rät: «Patienten sollten in der Notfallstation sagen, wenn sie im letzten Jahr in Südostasien waren.» Falls Tests solche Keime feststellen, könnten Ärzte von Beginn weg auf ein Reserveantibiotikum zurückgreifen. Zudem kann das Spital ansteckende Patienten zügig isolieren.
Wer sich bei einem Unfall in Italien, Griechenland oder Rumänien schwer verletzt, sollte sich nicht unbedingt vor Ort auskurieren. In vielen Kliniken herrscht nämlich eine im europäischen Vergleich grosse Infektionsgefahr mit resistenten Keimen. Das zeigt die EU-Datenbank European Disease Control. Experte Andreas Widmer rät deshalb dazu, «sich nach einer Operation aus Vorsicht lieber nach Hause bringen zu lassen».
Medikamenteneinsatz
Reinhard Zbinden von der Eidgenössischen Fachkommission für biologische Sicherheit fordert, Antibiotika nur bei einer klaren medizinischen Indikation einzusetzen. Eine einmal begonnene Antibiotikakur sollte man aber nie vorzeitig abbrechen. Überleben resistente Bakterien die Therapie, vermehren sie sich rasant. Ein einziges Bakterium kann innert drei Stunden 1000 resistente Nachkommen produzieren. Patienten sollten sich daher strikt an die Vorgaben des Arztes halten.
Rohe Lebensmittel
Rohes Fleisch kann MRSA-Keime enthalten («Gesundheitstipp» 4/15). Zudem sind gemäss Experten zunehmend auch Salat und Gemüse mit ESBL verunreinigt. Diese Keime gelangen häufig mit der Gülle auf Äcker und Pflanzen. Züchter und Bauern verwenden in der Schweiz dreimal mehr Antibiotika als Ärzte in der Humanmedizin. Deshalb gilt:
- Rohes Fleisch getrennt von anderen Lebensmitteln lagern.
- Nach der Zubereitung alles, was mit dem rohen Fleisch in Kontakt kam, reinigen: Hände, Besteck und Arbeitsflächen. Der Mikrobiologe Reinhard Zbinden warnt vor dem Gewebesaft in der Verpackung. Er könne gefährliche Keime enthalten. Den Plastik separat entsorgen und jeden Kontakt meiden.
- Salat und Gemüse stets waschen. Achtung: In vorgeschnittenem Salat können sich aufgrund der Feuchtigkeit heikle Keime besonders gut verbreiten.
Öffentliche Orte
«Wir achten im Alltag oft zu wenig auf die Hygiene», warnt Experte Andreas Widmer. Eine Basler Forschergruppe hat für eine unveröffentlichte Studie rund 3500 Proben von Touchscreens im öffentlichen Verkehr, Haltegriffen in Trams und privaten Smartphones auf Krankheitserreger inklusive Darmkeime untersucht. Das Resultat hält Widmer für alarmierend: Beim Berühren eines Touchscreens würden so viele Keime übertragen wie beim Händeschütteln. Deshalb: Regelmässig die Hände waschen oder desinfizieren.
Schweiss ist eine gute Brutstätte für heikle Keime. Daher sollte man im Fitnesscenter jedes Gerät vor der Benutzung reinigen. Vernachlässigt der Betreiber die Hygiene, sollte man selber putzen oder das Studio wechseln.
Wer in Rhein, Aare oder Limmat schwimmt, sollte kein Wasser schlucken und sich nachher duschen. Gemäss einer Studie der Universität Zürich enthalten mehr als ein Drittel der Schweizer Gewässer unter 1000 Metern über dem Meeresspiegel resistente ESBL-Keime.
Spital
Die Datenbank des Bundes «Anresis» zeigt: In der Westschweiz melden Spitäler häufiger MRSA-Fälle als in der Deutschschweiz. Eine Untersuchung des Nationalen Vereins für Qualitätsentwicklung in Spitälern und Kliniken (ANQ) zeigt bei Wundinfektionen nach chirurgischen Eingriffen massive Unterschiede zwischen den 118 teilnehmenden Spitälern (saldo 1/15). Beispiel: 2012 lag die Infektionsrate bei den 178 Dickdarmoperationen im Spital St. Gallen bei 16,4 Prozent. Im Basler Claraspital infizierten sich im gleichen Zeitraum bei 173 Eingriffen nur knapp 4 Prozent der Patienten. Die Ergebnisse sind auf der Website www.anq.ch abrufbar.
Die Stiftung für Patientensicherheit empfiehlt Patienten, darauf zu achten, dass sich Spitalmitarbeiter die Hände desinfizieren, bevor sie eine Behandlung vornehmen. Eine konsequente Handhygiene ist gemäss einer Studie der Universität Köln die wirksamste Waffe gegen MRSA-Keime.
Resistente Erreger
MRSA und ESBL
MRSA ist das Kürzel für «Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus». Gegen diese Bakterienart sind die gängigen Antibiotika machtlos. MRSA können in der Nase, im Rachen oder unter den Achseln siedeln. Menschen übertragen sie vor allem über die Hände.
ESBL steht für «Extended Spectrum Beta-Laktamase» und bezeichnet Bakterien mit Resistenzen gegen bestimmte häufig eingesetzte Antibiotika. ESBL-Keime kommen im Darm vor. Sie sind laut Experten in hiesigen Spitälern und Ställen auf dem Vormarsch.