Wenn Elijah Strub kurze Hosen anzieht, sieht man ihre Krampfader. Blau schlängelt sie sich ihre linke Wade hoch. Sie hat sie seit etwa fünf Jahren. «Vielleicht habe ich die schwachen Venen von meiner Mutter geerbt», sagt die 33-Jährige aus Nussbaumen AG.
Laut der oft zitierten «Edinburgh-Venen-Studie» leidet bis zu einem Drittel der westlichen Bevölkerung an Krampfadern. Frauen und Männer sind etwa gleich oft betroffen. Mit dem Alter nimmt das Risiko zu. Krampfadern entstehen, wenn schwache Venen es nicht schaffen, alles Blut von den Füssen zum Herz zu transportieren. Es staut sich in den Beinen, die Venen erweitern sich. Strub kümmert sich nicht darum. Schmerzen habe sie keine und auch optisch störe sie die Krampfader nicht. «Das ‹Gschnurpf› sitzt ja nicht auf meiner Nase», scherzt sie.
«Selbst bei Schmerzen muss man nicht zwingend etwas tun»
Nicht alle Betroffenen nehmen Krampfadern so locker. Viele Patientinnen lassen sich überreden, die Venen zu entfernen, weil sie hässlich aussehen. Manche Ärzte benutzen rein ästhetische Kriterien als Argument für eine Behandlung. Auf der Website des Winterthurer Arztes Poch Lor heisst es etwa: «Sie schämen sich, Ihre Beine zu zeigen? Wir erläutern Ihnen die Behandlungsmethoden.» Das Venenzentrum Bellevue in Zürich schreibt: «Grosse Krampfadern sollten entfernt werden, auch wenn sie schmerzfrei sind.»
Doch andere Fachleute kritisieren, dass die Eingriffe oft unnötig sind. Stefan Küpfer, Arzt am Venenzentrum Bad Ragaz SG, sagt: «Selbst Schmerzen bedeuten nicht immer, dass die Venen bereits so stark geschädigt sind, dass man zwingend etwas unternehmen muss.» Ein Eingriff sei dann nötig, wenn die Krampfader gerötet, stark überwärmt sei und sich hart anfühle. «Dann ist sie entzündet – ein deutliches Zeichen für ein Blutgerinnsel.» Dieses könne sich ausbreiten und «zu einer Lungenembolie, im schlimmsten Fall zum Kreislaufstillstand führen», sagt Küpfer. Auch wenn sich die Haut unterhalb des Knöchels blau oder braun färbe, sollte man zum Arzt.
Es gibt diverse Methoden, Krampfadern zu entfernen – alle haben Vor- und Nachteile. Viele Venenärzte preisen die Lasertherapie an. Der Arzt macht einen Nadelstich in die Haut, führt eine Lasersonde in die Vene und verschweisst sie mit Hitze. Der Patient hat danach kaum Schmerzen.
Gewisse Ärzte argumentieren, diese neuere Methode sei sanft und schnell. Das Zentrum für Gefässmedizin Aarau schreibt auf der Internetseite, nach dem Eingriff seien Patienten «mobil und leistungsfähig». Das Venenzentrum am See in Feldmeilen ZH verspricht, dass die Lasertherapie Krampfadern «schmerzarm, ohne Spitalaufenthalt» beseitige. Deshalb sei eine konventionelle Operation, ein sogenanntes Stripping, nur noch selten sinnvoll. Bei diesem Eingriff macht der Arzt zwei Schnitte. Dann führt er eine Sonde in die kranke Vene ein, schneidet sie an zwei Enden durch und zieht sie heraus. Die Heilung dauert bis zu drei Wochen.
Kurzfristig spart der Patient beim Lasern tatsächlich Zeit. Doch Studien zeigen: Es ist nicht besser als Stripping. Es gibt sogar Hinweise, dass die konventionelle Operation wirksamer ist. Knuth Rass, Chefarzt am Venenzentrum St. Brigida im deutschen Simmerath, hat Patienten fünf Jahre nach dem Eingriff untersucht. Ergebnis: Unter den Laser-Patienten hatte es fünfmal mehr Personen, deren Krampfadern wiedergekommen waren.
Allerdings birgt auch das Stripping Risiken, vor allem durch unerfahrene Ärzte. Eine Studie der Ruhr-Universität in Bochum (D) mit 300 Patienten zeigt: Bei einem Grossteil der Operationen erwischen die Ärzte nicht die ganze Vene. Es bleibt ein Rest im Gewebe. Er entzündet sich und der Patient muss einige Jahre später erneut unters Messer. Der Bochumer Forscher Markus Stuecker sagt dazu: «Ärzte, die selten operieren, lassen häufiger Venenreste stehen.»
Veröden ist günstig, aber nichts bei grossen Krampfadern
Auch das Veröden hat Vor- und Nachteile. Der Arzt spritzt ein Mittel in die Vene, das ihre Wände verklebt. Das ist kostengünstig. Laut Rass funktioniert die Methode aber nur bei Besenreisern und kleineren Krampfadern. Zudem kann das gespritzte Verödungsmittel in andere Venen und bis in die Lunge gelangen. «Je mehr Flüssigkeit der Arzt spritzt, desto grösser das Risiko für eine Thrombose oder eine Lungenembolie», so Rass.
Sicherer sind sanfte Methoden. Gegen schwere Beine helfen Sport und kaltes Duschen. Das regt den Kreislauf an und pumpt das Blut durch die Venen. Auch Mittel wie Rosskastanien oder Hamamelis sind gut. Doch man muss nicht unbedingt etwas tun. Elijah Strub sagt: «Ich ignoriere die Krampfader so lange, bis sie mich wirklich stört.»
Bruno Schwarzenbach vom Zürcher Venen-Zentrum Bellevue schreibt, grosse Krampfadern müssten immer operiert werden. Sonst riskierten Betroffene Entzündungen, Venenthrombosen, offene Beine oder gar lebensbedrohende Hautinfekte. Markus Enzler vom Venenzentrum am See verweist auf Studien, die belegten, dass Laserbehandlungen so gut wirken wie das Stripping.
Tipps: Das hilft gegen Beschwerden
- Gehen Sie häufig zu Fuss oder nehmen Sie das Velo.
- Stützstrümpfe können gegen die Beschwerden helfen. Mit einem ärztlichen Rezept zahlt die Krankenkasse zwei Paar pro Jahr. Kaufen Sie die Strümpfe unbedingt früh am Morgen, dann sind die Beine noch nicht geschwollen. Am besten gehen Sie in ein Fachgeschäft (Sanitätshaus) oder eine Apotheke. Das Personal misst Ihre Beine und bestellt die Strümpfe in der richtigen Grösse.
- Duschen Sie die Beine kalt ab – beginnen Sie mit den Füssen.
- Meiden Sie die Sonne, Sauna und Thermalbäder. Hitze kann die Beschwerden verschlimmern.
- Wenn Sie lange sitzen oder stehen, machen Sie zwischendurch Übungen für die Venen (siehe www.angiologie-bs.de/Venen/Venengymnastik).
- Legen Sie die Beine hoch, am besten ab den Knien bis zu den Füssen.
- Ausdauersport, z. B. Joggen, Wandern, Schwimmen, pumpt das Blut zum Herz.
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