Das Geschäft mit dem schlechten Gewissen
Immer mehr Hersteller ködern Kunden mit dem Versprechen, einen Teil des Verkaufserlöses für einen guten Zweck zu verwenden. Doch eine saldo-Recherche zeigt: Mit der guten Tat ist es oft nicht weit her.
Inhalt
saldo 18/2010
08.11.2010
Letzte Aktualisierung:
09.11.2010
Sabine Rindlisbacher
Das Inserat im «Migros Magazin» ist rührend: Eine afrikanische Mutter hält ihr schlafendes Neugeborenes im Arm, küsst es auf die Wange. Dazu heisst es: «1 Packung Pampers = 2 lebensrettende Impfdosen!» Migros appelliert an das Gewissen der Konsumenten: Wer bei Migros Pampers kauft, hilft Tetanus (Starrkrampf) bei Neugeborenen zu besiegen.
Diese Masche ist bei Konzernen immer beliebter: Sie versprechen, einen Teil des Verkaufspreises ihrer Prod...
Das Inserat im «Migros Magazin» ist rührend: Eine afrikanische Mutter hält ihr schlafendes Neugeborenes im Arm, küsst es auf die Wange. Dazu heisst es: «1 Packung Pampers = 2 lebensrettende Impfdosen!» Migros appelliert an das Gewissen der Konsumenten: Wer bei Migros Pampers kauft, hilft Tetanus (Starrkrampf) bei Neugeborenen zu besiegen.
Diese Masche ist bei Konzernen immer beliebter: Sie versprechen, einen Teil des Verkaufspreises ihrer Produkte einer wohltätigen Organisation zu spenden. In TV-Spots und Inseraten zeigen sie Bilder von Menschen in Not, verschicken Werbebriefe und stellen Animationsstände in ihre Läden.
Die Spendenhöhe wird häufig verschwiegen
Das Geschäft mit dem schlechten Gewissen floriert. Viele Konsumenten lassen sich zum Kauf bewegen, weil sie Bedürftige unterstützen möchten. Dies belegt die aktuelle Good-Purpose-Studie 2010 des PR-Beratungsunternehmens Edelman (siehe unten).
Doch wie viel Gutes bewirken Konsumenten tatsächlich mit dem Kauf solcher Produkte? saldo hat mehrere Aktionen geprüft. Ergebnis: Häufig sind die Beträge lächerlich gering, welche für wohltätige Projekte anfallen. Manchmal erfährt der Käufer nicht einmal, wie viel Geld tatsächlich gespendet wird. Fünf Beispiele:
Pampers-Windeln gegen Starrkrampf
Procter & Gamble verspricht, während dreier Monate pro verkaufter Packung Pampers eine «lebenswichtige Impfdosis» gegen Tetanus für Frauen in Drittweltländern zu spenden. Migros unterstützt die Aktion mit der Spende einer zusätzlichen Impfdosis pro Packung.
Eine Impfdosis kostet 8 Rappen, die Pamperspackung rund 27 Franken. Procter & Gamble hat laut eigenen Angaben mit der Aktion zwischen 2007 und 2009 in der Schweiz etwa 1,27 Millionen Impfdosen gespendet. Das ergäbe eine Spende von rund 100 000 Franken. Der Erlös der dafür verkauften Pampers liegt bei gut 35 Millionen Franken.
Energizer-Batterien gegen Brustkrebs
Batterienhersteller Energizer wirbt in Inseraten: «Energizer unterstützt die Aktion ‹Gemeinsam gegen Brustkrebs› – Helfen auch Sie mit!» Pro verkauftes Aktionspack Batterien zahlt Energizer 15 Rappen an die Krebsliga Schweiz.
Der Konzern beschränkt seine Aktion auf die grösste Packung, das Family Pack Duo. Wer die Krebsliga mit 15 Rappen unterstützen will, muss rund 18 Franken zahlen. Die Aktion ist «gültig solange Vorrat». saldo wollte wissen, mit wie vielen Packungen Energizer die Krebsliga unterstützt. Der Konzern verweigerte die Auskunft.
Garnier für den Regenwald
Mit dem Motto «Entdecken Sie das grüne Engagement von Garnier» warb Garniers Mutterhaus L’Oréal im Frühling um neue Kundschaft. In der «Coop-Zeitung» schaltete L’Oréal ein zweiseitiges Inserat: «1 gekauftes Garnier Produkt = 1 gepflanzter Baum in Zentralamerika.» Was ein Baum kostet und wo genau er gepflanzt wird, verriet L’Oréal nicht.
Einziger Hinweis: das Logo der Umweltorganisation Trees for the Future. Laut L’Oréal hat Garnier «zur Pflanzung von 42 700 Bäumen beigetragen». Gemäss der Homepage von Trees for the Future verlangt die Organisation pro Baum gerade mal 10 Rappen.
Knorr für Kinder in Kenia
Unilever verkündet in Inseraten: «Jeden Tag gehen über 1 Milliarde Menschen hungrig ins Bett – die meisten davon sind Kinder.» Und offeriert: «Sie kaufen 2 Knorr- oder 2 Rama-Produkte, wir spenden 1 Schulmahlzeit für Kenia!» Laut Anzeige kostet eine Mahlzeit 30 Rappen.
Die Aktion dauerte nur eine Woche. Danach hiess es in einer Medienmitteilung: «Unilever Schweiz spendet 163 600 Schulmahlzeiten für die Kinder in Kenia.» Diese haben einen Wert von 49 000 Franken. Zum Vergleich: Unilever Schweiz erzielte 2009 einen Umsatz von 603 Millionen Franken.
Louis-Vuitton-Tasche für Bauern in Uganda
In NZZ-Inseraten wirbt das Modehaus Louis Vuitton für die Edun-Tasche. Sie kostet rund 5000 Franken. Laut Inserat fliesst «der Ertrag aus den Verkäufen der Tasche» in die Conservation Cotton Initiative CCI, ein Hilfsprojekt für ugandische Bauern.
Anders informiert die im Inserat angegebene Internetseite: Hier geht «ein Teil des Verkaufserlöses» an die CCI. Wie viel, wird nicht verraten. Louis Vuitton besitzt 49 Prozent an der Modefirma Edun, die CCI initiierte. Wie viel Geld tatsächlich fliesst, beantwortete Louis Vuitton Schweiz bis Redaktionsschluss nicht.
Die Kaufentscheide werden emotionalisiert
Der Zürcher Wirtschaftspsychologe Christian Fichter kritisiert solche Aktionen: «Diese Art von Marketing nützt in erster Linie dem Image der Hersteller.» Meist fehle der Nachweis, dass die Unternehmen wirklich verantwortlich handeln.
Für den deutschen Spendenexperten Stefan Loipfinger sind die Konsumenten die Verlierer: «Die Unternehmen zwingen ihnen eine emotionale Entscheidung auf und täuschen sie oft über den Minibetrag ihrer Spende.» So verlieren laut Loipfinger die Käufer den Blick für eine ausgewogene Preis-Leistungs-Entscheidung.
Die Unternehmen wollen von dieser Kritik nichts wissen. Irene Kämpfen von Procter & Gamble sagt: «Wir machen auf die Problematik in den Entwicklungsländern aufmerksam. Die Erfolge der Aktion bestätigen unser Engagement.» Sie räumt jedoch ein: «Selbstverständlich hoffen wir, dass sich die Initiative positiv auf das Image von Pampers auswirkt.»
Barbara Häberli, Marketingchefin bei Energizer, versteht, dass die 15 Rappen pro Packung gering erscheinen. «Doch Aktion und Betrag wurden mit der Krebsliga besprochen», betont sie. Markus Abt von Unilever erklärt, dass das Spendengeld aus dem Produkteverkauf zu «einer langfristig ausgerichteten Initiative für notleidende Kinder» gehöre.
Umfrage: Konsumenten legen Wert auf soziale Verantwortung
Die Befragung des Beratungsunternehmens Edelman unter 7000 Konsumenten in 13 Ländern ergab:
- Zwei von drei Personen geben an, sie würden die Marke wechseln, wenn sich eine andere Marke sozial engagiert.
- Gleich viele würden das Produkt mit dem guten Zweck weiterempfehlen.
- Der gute Zweck ist für 42 Prozent der Befragten wichtiger als das Design, wenn sie zwischen zwei Marken gleicher Qualität und gleichen Preises wählen müssten.
- 65 Prozent der Befragten haben mehr Vertrauen in ein Unternehmen, wenn dieses soziale Verantwortung zeigt.
- 61 Prozent besitzen eine bessere Meinung von Unternehmen, die sich sozial engagieren – egal aus welchen Gründen.