Die Gerichtsverhandlung findet vor dem Kreisgericht Toggenburg in Lichtensteig SG statt. In der Mitte des Raumes steht ein grosser Holztisch. Rundherum haben Einzelrichter, Gerichtsschreiberin, Klägerin und Beklagter Platz genommen.
Die Klägerin erzählt in knappen Worten, warum sie von ihrem Ex-Freund 5550 Franken nebst Zins und Betreibungskosten verlangt: Sie habe das Geld für die Kaution bezahlt, um zu vermeiden, dass ihr Freund im Gefängnis bleiben müsse. Er habe ihr den Betrag trotz mehrmaliger Aufforderung aber nicht zurückgezahlt. Deshalb fordere sie das Geld nun per Gericht ein.
Ihr Ex-Freund behauptet hingegen: «Sie weiss, dass sie das Geld zurückbekommen hat!» Die Schuld sei beglichen.
Beklagter: «Ich wollte aus Stolz zurückzahlen»
Der Richter will mehr über die Umstände erfahren. Der Ex-Freund erzählt, er habe seine damalige Kollegin vom Gefängnis aus angerufen und um Hilfe gebeten. «Wir vertrauten einander und vereinbarten, dass sie mir die Kaution vorschiesst.» Später seien sie ein Paar geworden. «Sie sagte damals, ich müsse das Geld nicht zurückzahlen.» Er habe noch das SMS, mit dem sie ihm das mitgeteilt habe. Er habe das aber nicht akzeptiert und versprochen, dass sie das Geld zurückerhalte. Zu diesem Zweck habe er dann einen Kredit aufgenommen. «Ich wollte das Geld aus Stolz zurückzahlen.»
Der Richter fragt nach: «Wann hat ihre Ex-Freundin gesagt, sie verzichte auf die Rückzahlung des Darlehens?» Das wisse er nicht mehr genau, sagt der Mann und fügt an: «Zu der Zeit, als wir ein Paar waren.»
Die Ex-Freundin widerspricht: «Nein, das war erst, nachdem wir auseinandergegangen waren. Ich wollte keinen Kontakt mehr zu ihm. Deshalb sagte ich: ‹Das Geld ist mir egal. Ich will dich nicht mehr sehen.›»
Der Freund erinnert sich: «Das stimmt. Wir gingen uns aus dem Weg.» Dann aber hätten sie wieder Kontakt gehabt. Für den Kauf eines Autos habe er einen Kleinkredit von 30 000 Franken aufgenommen. Das Auto hätte aber nur 25 000 Franken gekostet. Den Rest habe er seiner Ex-Freundin ausgehändigt – «bar bei mir zu Hause».
Klägerin: «Ich habe das Geld nicht bekommen»
Die Ex-Freundin widerspricht: «Das ist nicht wahr. Ich habe das Geld nicht bekommen.» Der Richter will wissen, ob sie irgendetwas schriftlich festgehalten hätten. «Nein», sagen beide.
Die Ex-Freundin ergänzt: «Ich forderte ihn mündlich zur Rückzahlung auf. Als er aus dem Gefängnis kam, gingen wir direkt zu seinen Eltern. Eigentlich hätten sie mir das Geld sofort geben sollen.» Der Ex-Freund nickt: «Ja, das stimmt: Ich sagte, dass meine Eltern ihr das Geld geben würden. Doch mein Vater konnte nicht zahlen, weil er gerade ein Haus gebaut hatte.»
Der Richter hakt beim Beklagten nach: «Wie ging das eigentlich mit dem Kredit für das Auto: Die Differenz zwischen Kredit und Kaufpreis des Wagens betrug doch nur 5000 Franken, nicht 5550 Franken wie die Kaution. Haben Sie ihr trotzdem 5550 Franken zurückgezahlt?» Der Mann räumt ein: «Ja, es stimmt, ich habe ihr nur 5000 Franken zurückgezahlt.» Sie widerspricht: «Falsch. Er schuldet mir den ganzen Betrag!»
Richter: «550 Franken sind unbestritten»
Nach einer zehnminütigen Pause legt der Richter einen Vergleichsvorschlag vor: Der Ex-Freund soll der Frau Fr. 3086.65 zurückzahlen. «550 Franken sind unbestritten. Zusammen mit der Hälfte der restlichen 5000 Franken und der Hälfte der Betreibungskosten ergibt das Fr. 3086.65.» Der Richter erklärt, es sei eine beweisrechtliche Frage, ob der Betrag zurückgezahlt worden sei oder nicht. «Die Differenz des Kleinkredits zum Autokaufpreis ist ein Indiz, aber kein Beleg.»
Beide lehnen den Vorschlag ab. Bereits am nächsten Tag folgt das Urteil per Post: Der Ex-Freund muss 5550 Franken plus Zinsen zahlen. Dazu kommen Betreibungs- und Gerichtskosten von Fr. 916.65 und eine Prozessentschädigung an die Klägerin von 100 Franken. Total Fr. 6566.65.
Darlehen: Nur Schriftliches zählt vor Gericht
Zu Prozessen um Darlehen kommt es in der Regel nur, wenn unklar ist, wer wem wie viel Geld gegeben hat.
Wer ein Darlehen bar übergibt, wird das im Streitfall nicht belegen können. Deshalb: Solche Beträge sollten per Post oder Bank überwiesen oder nur gegen eine Quittung übergeben werden. Dasselbe gilt bei der Rückzahlung: Am besten von Konto zu Konto überweisen, Bares nur gegen Quittung.
Steht fest, dass Geld die Hand wechselte, ist aber unklar, ob es sich um eine Schenkung oder ein Darlehen handelte, gehen die Gerichte von einem Darlehen aus.
Wer eine Schenkung erhält, sollte sich das deshalb schriftlich bestätigen lassen. Bei Darlehen empfiehlt sich ebenfalls Schriftlichkeit. Im Vertrag sollte Betrag, Zinsen und Modalitäten der Rückzahlung festgehalten werden. Besteht keine schriftliche Abmachung über den Zeitpunkt der Kündigung, gilt eine Frist von sechs Wochen.