Mit gezielten Übungen zurück zur natürlichen Sehkraft – das verspricht der dänische Buchautor und Unternehmensberater Leo Angart. Sein Buch «Vergiss deine Brille» erschien vor zwei Jahren und wurde zu einem Bestseller. Gemäss Verlagsangaben verkaufte es sich bis heute über 100 000 Mal.
Angart behauptet in seinem Buch, dass es ihm dank Augenübungen gelungen sei, seine Kurzsichtigkeit von 5,5 Dioptrien loszuwerden. Heute brauche er keine Brille mehr. Zu den Übungen, die Angart empfiehlt, gehört das «Palmieren» . Dabei legt man die Hände auf die Augen und atmet langsam ein und aus (siehe Bild).
Im Februar hat Angart ein neues Buch vorgelegt. Titel: «Kinder brauchen keine Brille.» Im Internet bietet Angart sein «Online-Augentraining» an – ein halbes Jahr kostet umgerechnet knapp 100 Franken.
Sehtrainingsangebote sind in Mode
Leo Angarts Sehtraining ist keine neue Methode, sondern geht auf Ideen des US-amerikanischen Augenarztes William Bates zurück. Dieser entwickelte vor rund hundert Jahren ein spezielles Training für Kurzsichtige.
Mittlerweile hat die Methode auch in der Schweiz Fuss gefasst. Rund zwei Dutzend Mitglieder des Schweizer Berufsverbands für Sehtraining bieten ihre Dienste an. Zum Beispiel Jacqueline Schneider: In ihrer Kinesiologie-Praxis in Wetzikon ZH bietet sie ein sogenanntes «ganzheitliches Sehtraining» an. Auch Schneider behauptet, man könne mit dieser Methode seine Brille loswerden – oder zumindest die Fehlsichtigkeit vermindern.
Fachleute sind skeptisch. Übungen wie das «Palmieren» könnten zwar das Wohlbefinden fördern, die Sehschärfe aber nicht verbessern, erklärt Brigitte Simonsz-Toth, Orthoptistin in der Augenklinik des Zürcher Universitätsspitals. Kurz- oder Weitsichtigkeit sei die Folge einer zu grossen oder zu kleinen Länge des Augapfels. Sehübungen könnten diese Länge nicht beeinflussen. «Deshalb kann das Augentraining auch keine Fehlsichtigkeit beheben oder verringern.»
Noch deutlicher äussert sich Isaak Schipper. Der Luzerner Augenarzt hält das Training schlicht für «Unsinn». Zwar könnten sich die Augen an das Sehen ohne Brille gewöhnen, sagt Schipper. Nach einer gewissen Zeit sehe alles weniger unscharf aus. Die Fehlsichtigkeit sei damit aber nicht behoben.
Auch Martin K. Schmid, Co-Chefarzt der Augenklinik am Luzerner Kantonsspital, hält wenig vom Konzept des Sehtrainings. William Bates’ Ideen seien «überholt und grösstenteils falsch». Bei fehlsichtigen Kindern sei eine Brille sogar ein Muss, sagt Schmid, sonst könne lebenslang eine bleibende Schwachsichtigkeit entstehen.
Zur Kritik der Ärzte sagt Leo Angart, es gebe viele wissenschaftliche Beweise, dass sein Sehtraining nütze. Allerdings untersuchten die Forscher, die Angart als Referenz erwähnt, nicht Kurzsichtige, sondern Patienten mit Funktionsstörungen der Augen, wie zum Beispiel Schielen. Angart räumt ein, dass das «Palmieren» die Sehkraft nicht verbessere. Es helfe aber, die Ursache von Augenproblemen zu behandeln. Ausserdem hätten Studien gezeigt, dass Brillen das Sehvermögen «höchstwahrscheinlich» weiter verschlechtern würden.
Die Studien, die Angart als Beweis erwähnt, wurden allerdings nicht mit Menschen durchgeführt, sondern mit Küken und jungen Affen. Den Tieren wurden künstliche Linsen ein- oder Brillengläser aufgesetzt, um die Reaktion der Augenmuskeln zu untersuchen.
Tipps: Das hilft gegen müde Augen
- Machen Sie bei der Arbeit am Computer alle 30 Minuten eine Pause.
- Lassen Sie den Blick eine halbe Minute lang aus dem Fenster schweifen. Das entspannt die Augen.
- Stellen Sie den Bildschirm so ein, dass er sich leicht unterhalb der Höhe Ihrer Augen befindet.
- Bei gereizten und trockenen Augen hilft das Auflegen eines warmen nassen Umschlags.
- Lassen Sie sich von einem Augenarzt untersuchen, wenn Sie schnell müde werden beim Lesen.