Draussen ist es neblig trüb. Im Saal unter dem Dachgeschoss des Kantonsgerichts Stans (NW) brennt Licht. Als Erster erscheint der Beklagte, im Anzug und mit Aktenkoffer. Trotz der gepflegten Aufmachung wirkt der junge Mann verunsichert. Einen Anwalt hat er nicht.
Gegen ihn geklagt hat das Hotel, in dem er für gut einen Monat als Geschäftsführer arbeitete. Der Hotelier erscheint vor Gericht mit seinem Anwalt. Er fordert von seinem ehemaligen Geschäftsführer 4000 Franken. Dieses Geld hatte er dem ehemaligen Chef des Geschäftsführers bezahlt, damit dieser ihn ausserhalb der Kündigungsfrist gehen liess.
Über eine Rückzahlung der Ablösesumme war nie gesprochen worden
Der Hotelier erzählt der Einzelrichterin, er sei aus familiären Gründen in die Situation gekommen, das Hotel führen zu müssen. Die Aufgabe habe ihn «komplett überfordert». Daher habe er dringend einen Geschäftsführer gesucht. Der Beklagte sei damals Geschäftsführer einer Brasserie gewesen. «Ein tüchtiger Mann mit einer guten Ausbildung. Ich glaubte, dass er mein Hotel auf die Beine stellen könne.»
Der junge Mann sei damit einverstanden gewesen, so schnell wie möglich bei ihm anzufangen. Er sei von einer längeren Zusammenarbeit ausgegangen. Nur deshalb habe er den Mann beim alten Arbeitgeber «freigekauft». Aber der neue Geschäftsführer habe bereits in der Probezeit gekündigt.
Die Richterin will wissen, ob er denn mit dem Geschäftsführer darüber gesprochen habe, dass er bei einer Kündigung in der Probezeit den an die Brasserie bezahlten Betrag zurückfordern würde. Der Hotelier verneint. Das sei kein Thema gewesen.
Nun wendet sich die Richterin dem Beklagten zu. Er erzählt leicht stockend, warum er in der Probezeit kündigte. Vieles im Hotel habe nicht funktioniert. «Ich wusste nicht, wie ich diese Probleme lösen könnte.» Wegen des Stresses habe er stark abgenommen und das Gespräch mit dem Chef gesucht. «Doch das brachte nichts.» Schliesslich habe er nach gut einem Monat gekündigt.
Die Richterin schickt die Parteien für eine halbe Stunde für einen Kaffee ins Restaurant Linde gleich neben dem Kantonsgericht. In der Zwischenzeit werde sie sich mit der Gerichtsschreiberin beraten.
«Jeder Arbeitgeber muss mit Kündigungen rechnen»
Als der Prozess fortgesetzt wird, fasst die Richterin die Rechtslage aus ihrer Sicht zusammen: Der Hotelier berufe sich zu Unrecht auf erheblich veränderte Verhältnisse, die eine Vertragsanpassung erforderten. «Jeder Arbeitgeber muss damit rechnen, dass ein Angestellter in der Probezeit kündigt», sagt sie kopfschüttelnd. «Dafür ist die Probezeit schliesslich da.»
Deshalb müsse der Beklagte die geforderten 4000 Franken nicht zurückzahlen. Eine Beteiligung an der Ablösesumme durch den Geschäftsführer bei frühzeitiger Vertragsauflösung hätte klar abgemacht werden müssen.
Der Hotelier ist mit dem Vorschlag des Gerichts nicht einverstanden
Die Richterin erinnert die Parteien daran, dass der Arbeitnehmer noch offene Lohnansprüche hat. Er könnte Widerklage erheben, warnt sie den Hotelier. Und schlägt ihm vor, die Klage zurückzuziehen. Im Gegenzug solle der beklagte Geschäftsführer auf eine Widerklage verzichten. Dieser ist mit dem Vorschlag einverstanden. Der Anwalt des Klägers hingegen rät seinem Mandanten wortreich, sich nicht auf diesen Vergleich einzulassen.
So muss die Richterin schliesslich einen Entscheid fällen. Nach drei Wochen liegt das schriftliche Urteil vor. Das Gericht weist die Klage ab. Der ehemalige Geschäftsführer muss seinem Ex-Chef nichts zahlen.
Prozessieren: Arbeitsstreitigkeiten privilegiert
Die meisten gerichtlichen Streitigkeiten aus einem Arbeitsverhältnis werden in einem einfachen Verfahren erledigt. Erste Anlaufstelle ist die Schlichtungsstelle. Einigen sich die Parteien dort nicht, ist das Gericht dafür zuständig. Das Verfahren ist bis zu einem Streitwert von 30 000 Franken gratis. Die Klage muss in solchen Fällen nicht schriftlich begründet werden. Der Sachverhalt wird durch das Gericht festgestellt. Die Verhandlung ist in der Regel mündlich. Einige Kantone und Bezirke kennen spezielle Arbeitsgerichte.
Bei Streitwerten über 30 000 Franken sind auch arbeitsgerichtliche Verfahren kostenpflichtig. In der Regel verlangen die Gerichte von der klagenden Partei einen Kostenvorschuss. Wer zur Bezahlung nicht in der Lage ist, kann unentgeltliche Prozessführung verlangen.